Erfolglose Verfassungsbeschwerde: Youtuber wendet sich gegen Verurteilung
Ab wann wird eine Äußerung als Beleidigung gemäß § 185 StGB gewertet und wann ist sie noch von der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt? In diesem Fall waren sich Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Beschwerdeführer uneinig.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Juni 2025 – 1 BvR 2721/24
Dem Fall lag folgende Konstellation zugrunde: Der Youtuber Timm Kellner veröffentlicht regelmäßig auf seinem Kanal „Love Priest“ seiner Ansicht nach satirische Videos zur aktuellen politischen Situation in Deutschland. Dabei ging es hier um drei spezifische Videos. In zwei von drei Videos, welche jeweils eine klar identifizierbare Politikerin zeigten, hatte Kellner Sequenzen hineingeschnitten, bei denen nach dem jeweiligen Filmabschnitt mit der Politikerin eine Person aus dem Auto die Worte „Ey, du kleine Fotze“ rief. In einem weiteren Video, in dem sich eine Politikerin zum Migrationsthema äußerte, folgte diese Kommentierung des Youtubers: „Papperlapapp, die aufgedunsene Dampfnudel, fliegt die ein, wir haben Platz!“.
Das Amtsgericht Detmold hatte den YouTuber in diesem Zusammenhang zunächst wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB in drei Fällen verurteilt. Berufung und Revision blieben erfolglos. Das Landgericht (LG) Detmold hatte befunden, dass seine Äußerungen nicht von der Meinungs- sowie Kunstfreiheit gedeckt seien. Die Bezeichnungen der Politikerinnen als „Fotze“ bzw. „aufgeblasene Dampfnudel“ seien als Schmähkritik zu verstehen. In all diesen Fällen würden Meinungs- und Kunstfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Politikerinnen aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zurücktreten. Nach ständiger Rechtsprechung sei Schmähkritik als eine Äußerung zu verstehen, welche nicht als sachliche Kritik zu verstehen ist, sondern vielmehr dazu diene, eine Person herabzuwürdigen und zu diffamieren. Ein wichtiger Indikator sei dabei der Kontext der Äußerung. Hier stehe nach dem Landgericht die Diffamierung im Vordergrund.
Daraufhin erhob Kellner Verfassungsbeschwerde beim BVerfG wegen Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (Kunstfreiheit). Er sah es nämlich anders als die Vorinstanzen und argumentierte, seine Äußerungen seien keine Schmähkritik, sondern würden noch unter Satire fallen. Laut Kellner habe das LG seinen Äußerungen nicht im Kontext seiner Videosequenzen ausreichend Beachtung geschenkt, wodurch sie aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Vor allem die Äußerung „Dampfnudel“ sei nach Kellner so zu verstehen, „dass die Politiker nur heißen Dampf labern und somit nix von ihnen käme“. Zudem handele es sich bei der Abwägung des LG zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht sowie gleichzeitigem Feststellen, dass eine Schmähkritik vorliege, um einen Widerspruch.
Die Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG als unzulässig abgewiesen und nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss v. 09.07.2025 – 1 BvR 2721/24). Kellner habe nicht die nötigen Darlegungspflichten gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 und § 92 BVerfGG erfüllt. Damit lag kein zwingender Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG vor. Kellner könne nicht ausreichend erklären, warum das LG fälschlicherweise von Schmähkritik ausgehe. Auch stellte das BVerfG klar, dass es gerade kein Widerspruch sei, wenn eine Abwägung der jeweiligen Grundrechte stattfinde sowie Schmähkritik angenommen werde. Die Abwägung habe das LG gerade nur hilfsweise vorgenommen – falls die Annahme von Schmähkritik nicht einschlägig sein sollte – und sei dabei auch zum Ergebnis gekommen, dass die Persönlichkeitsrechte der Politikerinnen in diesem Fall Vorrang hätten. Zwar hätten sich Personen des öffentlichen Lebens – insbesondere Amtsträger wie Politiker – in einem gewissen Rahmen auch scharfe und polemische Kritik gefallen zu lassen. Gleichwohl bedeute ihre öffentliche Stellung nicht, dass sie jegliche Äußerungen hinnehmen müssten. Auch ihnen komme der grundrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zu. Kellner zeige gerade nicht auf, warum genau die Abwägung des LG falsch sei. Zudem sei auch nicht genügend darlegt, warum die Kunstfreiheit in diesem Falle greife. Auch würde nicht ausreichend erörtert, wie sich die Dogmatik der Schmähkritik bei der Meinungsfreiheit auch auf die Kunstfreiheit auswirke. Kellner habe sich insgesamt somit nicht ausreichend mit den Argumenten der Instanzgerichte auseinandergesetzt.
Die Entscheidung zeigt insbesondere auf, dass sich auch Personen des öffentlichen Lebens, wie in diesem Fall Politikerinnen, nicht jede Äußerung gefallen lassen müssen, vor allem wenn Äußerungen wie hier kaum einen sachlichen Bezug aufweisen.
Quellen
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09. Juni 2025 – 1 BvR 2721/24, abrufbar unter:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/06/rk20250609_1bvr272124.html?nn=68080
Legal Tribune Online, “Verfassungsbeschwerde eines Youtubers gegen seine Verurteilung erfolglos”, Meldung vom 28. August 2025, abrufbar unter:
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-verfassungsbeschwerde-youtuber-tim-kellner-love-priest-beleidigung