Sperrung von Social-Media-Kanälen – Diskussion um Meinungsfreiheit und Plattformen

Welche Einschränkungsmöglichkeiten und Pflichten Social-Media-Plattformen gegenüber ihren Nutzer:innen haben, wird bereits seit geraumer Zeit diskutiert. Die Sperrung von Accounts des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump hat das Thema wieder verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gebracht und auch in Deutschland für Diskussionsstoff in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen gesorgt.

Plattformbetreibern ist es grundsätzlich möglich, sich auch Accountsperrungen über die Nutzungsbedingungen vorzubehalten. Formal gesehen, werden diese Bedingungen einvernehmlich vereinbart, faktisch geben die Plattformen jedoch die Regeln vor und setzen sie ähnlich eines „Hausrechts“ durch. Eine solche Regelung in den Nutzungsbedingungen ist beispielsweise bei Twitter vorgesehen, weshalb sich das Unternehmen bei der Sperrung darauf stützen konnte. In diesem Kontext ist im US-amerikanischen Recht ein Verweis darauf, dass eine Sperrung einen Eingriff in die Äußerungsfreiheit darstellt, nicht praktikabel, da nur der Staat die Freiheiten beachten muss, nicht aber private Unternehmen. In Deutschland ist in dieser Hinsicht eine andere Einschätzung vorzunehmen, da hier auch private Unternehmen die Grundrechte zu beachten haben und die Möglichkeit einer Klage vor den Zivilgerichten besteht. Dabei können die Nutzungsbedingungen im Rahmen einer AGB-Kontrolle geprüft werden.  

Aus juristischer Sicht ist daher davon auszugehen, dass die Sperrung der Accounts grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wie beispielsweise Medienrechtler Prof. Dr. Karl-Nikolaus Pfeifer erklärt. Jedoch wird deutlich, dass der Fall im deutschen Recht anders zu bewerten wäre als im US-amerikanischen Recht und dementsprechend über eine Klage vor den Zivilgerichten eine Entsperrung des Accounts möglich wäre. Wie das aussehen könnte und wie deutsche Gerichte eine ähnliche Konstellation bewerten, zeigt sich voraussichtlich im Laufe dieses Jahres, wenn das BVerfG über die Account-Sperrung der rechten Partei „Der dritte Weg“ bei Facebook entscheidet.

Doch der Umgang mit solchen Vorkommnissen kann nicht allein aus juristischer Sicht geklärt werden, wie auch Pfeifer erläutert. Die Sperrung von Accounts werfe verschiedene Fragen auf, inwiefern etwa Verträge mit Plattformen kontrolliert werden sollen oder ob es im Verhältnis zur Plattform Rechtsmittel für gesperrte Nutzer geben solle. Entscheidend sei in diesem Kontext, ob Plattformbetreiber „ihrerseits wesentliche Funktionen des gesellschaftlichen Diskurses steuern“. Diese Frage sei im Wesentlichen medienwissenschaftlicher Natur, ihre Beantwortung sei aber für die juristische Einschätzung von „größter Bedeutung.“

Aus Sicht des Medienkulturwissenschaftlers Prof. Dr. Stephan Packard ist in diesem Kontext zu bedenken, dass Kommunikationsplattformen ein wichtiger Bestandteil des Alltags vieler Menschen seien und dementsprechend wichtige Funktionen einnehmen. Er formuliert zwei Aufgaben, die er für besonders drängend empfindet: Es müsse klare und möglichst eindeutig umsetzbare Vorgaben für Plattformen geben, „die im Zweifel Freiheit höher gewichten als deren Einschränkung“. Zudem müsse eine öffentliche Alternative gefördert werden, die ein Gegengewicht zu den privaten Netzwerkbetreibenden herstellt. Vergleichend weist er dabei auf den Rundfunk und dezentral ausgestaltete Kommunikationsformate wie Diaspora hin.

Den Bedarf einer gesetzlichen Regelung sieht auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, die das Vorgehen der Plattformen im Zusammenhang mit Donald Trump kritisiert und geäußert hat, dass gesetzlich geklärt werden müsse, inwiefern Eingriffe in die Meinungsfreiheit gedeckt werden können. Dazu verwies sie auch auf den Vorschlag der EU-Kommission zum Digital Services Act (vgl. zu diesem Entwurf unsere Meldung). Der Entwurf sieht die Festlegung eines Verhaltenskodexes für Medienintermediäre vor, für dessen Formulierung Medienrechtler Prof. Dr. Rolf Schwartmann einen Vorschlag veröffentlicht hat.

Quellen:

dlf, Lambrecht für gesetzliche Regelungen bei der Sperrung von Accounts, Beitrag vom 26.01.2021, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/soziale-medien-lambrecht-fuer-gesetzliche-regelungen-bei.2932.de.html?drn:news_id=1220280.

Peifer, Karl-Nikolaus/ Packard, Stephan, Expertenstatements: Medienmacht und Verantwortung von Social-Media-Plattformen, Beitrag auf idw online vom 19.01.2021, abrufbar unter: https://idw-online.de/de/news761431

Schwartmann, Rolf, Der Social-Media-Kodex, Beitrag auf faz.net vom 13.01.2021, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/der-social-media-kodex-10-leitsaetze-fuer-die-meinungsfreiheit-17143693.html

Schwartmann, Rolf, Wie soziale Medien an die Meinungsfreiheit gebunden sind, Beitrag auf faz.net vom 18.01.2021, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/freie-meinung-im-internet-soziale-medien-und-meinungsfreiheit-17151030-p2.html