Rückblick: Mainz Media Forum zur Bewertung von Transparenz als Königsweg liberaler Intermediärs-regulierung

Experten diskutierten beim Mainz Media Forum über den Ansatz sowie die Grenzen der Transparenzpflichten, um Informationsintermediäre effektiv regulieren zu können. 

Unter dem Titel „OPENING THE BLACK BOX – Transparenz von Google, Facebook & Co. als Königsweg liberaler Intermediärsregulierung?“ hat am 17. Oktober 2019 eine Diskussionsveranstaltung des Mainzer Medieninstituts stattgefunden. Die Referenten waren Roland Broemel, Inhaber der Professur für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht an der Goethe-Universität Frankfurt und Thomas Wischmeyer, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Recht der Digitalisierung an der Universität Bielefeld sowie Mitglied der Datenethikkomission der Bundesregierung. Moderiert wurde die Veranstaltung von Matthias Cornils, Direktor des Mainzer Medieninstituts.

Die kommunikationswissenschaftliche Perspektive beleuchteten Birgit Stark, Co-Direktorin des Mainzer Medieninstituts, und Dominique Facciorusso, wissenschaftliche Mitarbeiterin des selbigen Instituts. In ihrem Impulsvortrag mit dem Titel „Mit Transparenz zu (mehr) Autonomie?" stellten sie aktuelle Befunde einer Expertenbefragung vor. Der  dritte Teil der Mehrmethoden-Studie, die zusammen mit Juniorprofessorin Leyla Dogruel vom Institut für Publizistik durchgeführt wurde, basiert auf qualitativen Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Datenschutzbehörden, Landesmedienanstalten und Zivilgesellschaft.

Mit Blick auf die Offenlegungspflichten zeigen die Ergebnisse, dass Transparenz als eine wichtige Grundlage bewertet wird um die Position des Nutzers zu stärken und eine Awareness für algorithmische Systeme zu schaffen. Allerdings wird mit Transparenz nicht zwangsläufig die Voraussetzung für autonome Nutzerentscheidungen im Netz geschaffen. Das liegt zum einen daran, dass für Nutzer keine echten Handlungsalternativen, sehr wohl aber Abhängigkeiten zu vielen der genutzten Angebote bestehen. Zum anderen kann die Effektivität von Transparenz nur unter bestimmten Bedingungen gesteigert werden. Nutzerseitig muss etwa die Medienkompetenz sowie die Wahrnehmung und Inanspruchnahme bestehender Nutzerrechte gefördert werden. Hingegen bedarf es anbieterseitig einer verbesserten Sichtbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Transparenz sowie der Implementierung bestimmter Gestaltungs- und Einspruchsmöglichkeiten, damit Nutzer auf fairere Systeme drängen können.  

Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive beleuchtete Broemel, inwiefern der Transparenzansatz bei Algorithmen für rechtliche Verantwortlichkeit der Intermediäre sorgen kann. In einer zweiten Analyse referierte Wischmeyer darüber, ob die Transparenzarchitekturen für algorithmische Systeme tatsächlich einen Beitrag zur  Sicherung fairer Kommunikationsbedingungen im Netz leisten können. 

In den  Vorträgen ging es um eine theoretische Einordnung des dem Medienrecht altvertrauten Konzepts, indem etwa die typischen Funktionen von Transparenz in Regelungsstrukturen,  aber auch die Grenzen des Konzepts (z.B. die fehlende technische Umsetzbarkeit von Transparenzvorgaben, die Illusion von Kontrolle oder Fälle berechtigter Intransparenz) im Allgemeinen vorgestellt wurden.  Auch wenn Transparenz insgesamt als voraussetzungsvolles Konzept gilt, wird die Debatte aus medienrechtlicher Sicht in erster Linie als Regulierungseinstiegsdebatte gesehen, bei der man sich zunächst der Ziele bewusst sein muss, die man durch Transparenz zu erreichen versucht. Denn je nach Ziel variieren auch die Ausgestaltung der Transparenzpflichten, die Wahl der Instrumente sowie das Kompetenzniveau der potentiellen Adressaten.

Um auf die Grenzen der geplanten Intermediärstransparenz nach dem MStV-E zu verweisen, wurde der explizite Fall von Suchmaschinen exemplarisch analysiert, die sich zum einen durch ihre marktbeherrschende Position und zum anderen aufgrund ihrer Komplexität durch permanente Feedback-Schleifen der Nutzer (Input von der Rezeptionsseite) auszeichnen.

Kritisiert wird, dass die Vorgaben an Intermediäre die Entscheidungen auf der Rezeptionsseite und ihre strukturierende Funktion derzeit ausblenden.  Denn die die vorgesehenen Transparenzpflichten nach § 53d MStV-E bei komplexen Algorithmen, die anhand von Datensets trainiert werden, ermöglichen weder eine Einschätzung der generellen Eigenschaften (global ex ante), da die Angaben zu allgemein gehalten werden um daraus strukturelle Effekte ableiten zu können. Zum anderen ist auch keine aussagekräftige Einschätzung der Einordung von Einzelfällen (lokal ex post) aufgrund von sehr individuellen Personalisierungseffekten möglich.

Hinzu kommt, dass unter Medienintermediären wie Facebook oder Google erhebliche Unterschiede (z. B. was die Modalitäten der Algorithmen oder die Verarbeitung von Inhaltenangeht) bestehen, weshalb Transparenz als übergreifender Ansatz aus medienrechtlicher Perspektive kritisch bewertet  werden muss.