OLG FFM: Unterlassene Anhörung vor Post-Löschung kann nachgeholt werden

Laut dem OLG Frankfurt/Main kann eine unterlassene Anhörung des Nutzers vor der Löschung eines Facebook-Posts in dem Prozess um die Wiederfreischaltung desselben nachgeholt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20

Für den Fall, dass ein Nutzer vor Löschung seines Posts nicht angehört wurde, kann die Anhörung im Prozess um die Wiederfreischaltung des Posts nachgeholt werden. Der Anhörungsfehler ist somit heilbar, so das OLG Frankfurt/Main. Soweit die Anhörung während des Prozesses nicht zu einer anderen Bewertung führt, kann der betroffene Nutzer nicht die Wiederfreischaltung des Posts beanspruchen. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall aus dem Nutzungsvertrag.

Das OLG führt aus, dass der betroffene Post zwar eine Meinungsäußerung sei, aber gegen die über die Nutzungsbedingungen einbezogenen Bestimmungen in den Gemeinschaftsstandards zu Hassrede verstoße. Die Beklagte sei befugt, Kommunikationsregeln aufzustellen, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgehen. Zudem sei der Begriff der Hassrede in den Gemeinschaftsstandards definiert und hinreichend transparent.

Jedoch könne sich die Beklagte bei der Löschung des Posts nicht auf die Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen, soweit der Kläger nicht im Vorfeld informiert wurde und keine Möglichkeit zur Stellungnahme hatte. Der Senat verweist in diesem Kontext konkret auf das Grundsatzurteil des BGH vom 29.07.2021 (Az. III ZR 179/20), in dem entschieden wurde, dass die Facebook-Geschäftsbedingungen bezüglich Löschung und Sperrung wegen Verstößen gegen die Kommunikationsstandards unwirksam sind. Den Grund für die Unwirksamkeit sah der BGH in der fehlenden Verpflichtung zur Benachrichtigung und bei Kontosperren zur Anhörung der betroffenen Personen (vgl. unsere Meldung).

Dennoch ergebe sich, so das OLG Frankfurt, die Möglichkeit zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag. Im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung sei die Regelungslücke zu schließen, die sich aus der Unwirksamkeit der Klausel über den Entfernungs- und Sperrvorbehalt ergebe. Die Auslegung führe dazu, dass es eine Informationsverpflichtung und eine Pflicht zur Stellungnahmemöglichkeit gegenüber dem Nutzer gebe, die bei der streitigen Löschung von der Beklagten nicht beachtet wurde. Durch die Nachholung der Anhörung im Rahmen des Prozesses, werde der Anhörungsfehler jedoch nachträglich geheilt.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen.

Quellen

OLG Frankfurt, Pressemitteilung Nr. 54/2022 vom 30.06.2022, abrufbar unter: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/unterlassene-anh%C3%B6rung-des-betroffenen-vor-l%C3%B6schung-eines-posts-bei-facebook-kann

Beck-aktuell, Unterlassene Anhörung vor Löschung eines Facebook-Posts nachholbar, Meldung vom 30. Juni 2022, abrufbar unter: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/olg-frankfurt-unterlassene-anhoerung-vor-loeschung-eines-facebook-posts-nachholbar