BGH zur Plattformhaftung bei Urheberrechtsverletzungen

Der BGH hat entschieden, dass Plattformanbieter als Täter einer Urheberrechtsverletzung haften können und für den von der E-Commerce-Richtlinie vollharmonisierten Bereich von der sog. „Störerhaftung” Abstand genommen.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 2. Juni 2022 – I ZR 140/15, I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17 und I ZR 135/18

Nachdem der EuGH im vergangenen Jahr die Vorlagefragen beantwortet hat (vgl. unsere Meldung), hat der BGH nun in mehreren Verfahren über die Haftung von Plattformen für Urheberrechtsverletzungen entschieden. Dabei hat sich der I. Zivilsenat von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewandt und für den durch die E-Commerce-Richtlinie vollharmonisierten Bereich festgestellt, dass anstelle der bisherigen Störerhaftung eine Haftung als Täter in Betracht komme. Damit sind nicht nur Unterlassungs-, sondern auch Schadensersatzansprüche gegenüber einem Anbieter möglich.

Konkret geht es in einem Fall um Videos mit Musikwerken, die auf der Plattform „YouTube“ verbreitet wurden (I ZR 140/15). Der BGH erklärt, dass Plattformbetreiber entsprechend der Rechtsprechung des EuGH unter bestimmten Umständen eine öffentliche Wiedergabe vornehmen. Dies sei der Fall, wenn der Anbieter weiß oder wissen müsste, dass im Allgemeinen rechtsverletzende Inhalte über seine Plattform öffentlich gemacht werden und er keine geeigneten technischen Maßnahmen ergreife, um dies zu verhindern. Der Maßstab sei dabei ein „die übliche Sorgfalt beachtender Wirtschaftsteilnehmer“. Des Weiteren könne ein Anbieter als Täter haften, soweit er sich nicht an das Notice-and-Take-down-Prinzip halte.

Im Ergebnis hat der BGH den Revisionen des Klägers und der Beklagten teilweise stattgegeben und das Verfahren hinsichtlich der Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Insbesondere seien noch tatsächliche Feststellungen zu treffen, die etwa die Frage nach den geeigneten technischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen betreffen.

Die weiteren Urteile betreffen den Internetsharehosting-Dienst „uploaded“, der von „Cyando“ betrieben wird. Der BGH hat festgestellt, dass für den Betreiber einer Sharehosting-Plattform dieselben Grundsätze wie für den Betreiber einer Video-Sharing-Plattform gelten.

In einem Fall (I ZR 135/18) hat der BGH geurteilt, dass die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe der Beklagten erfülle, da diese nach Kenntnisnahme über eine Rechtsverletzung keine Gegenmaßnahmen ergriffen habe. In den weiteren Fällen bestünden gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass keine ausreichenden technischen Maßnahmen ergriffen wurden, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Zudem könnte die Annahme gerechtfertigt sein, dass das Geschäftsmodell der Beklagten darauf beruhe, rechtsverletzende Inhalte verfügbar zu machen. Dies könne jedoch noch nicht abschließend beurteilt werden, da noch tatsächliche Feststellungen fehlen würden.

Die Vorinstanzen haben die Beklagte lediglich als Störerin zur Unterlassung und in einem Fall (I ZR 135/18) zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten verurteilt. Der BGH hat den Revisionen der Klägerinnen in sämtlichen Verfahren stattgegeben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

Für alle Fälle gilt, dass die Berufungsgerichte zu prüfen haben, ob eine öffentliche Wiedergabe auch für die Zeit seit In-Kraft-Treten des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes am 01. August 2021 vorliegt.

Quelle

BGH, Zur Haftung von „YouTube“ und „uploaded“ für Urheberrechtsverletzungen, Pressemitteilung Nr. 80/2022 vom 02.06.2022, abrufbar unter: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/2022080.html?nn=10690868