Rückblick: Mainz Media Forum: Generative Künstliche Intelligenz – Wo steht das Urheberrecht?
Im Mittelpunkt des Mainz Media Forum am 9. April 2025 stand die Frage nach der urheberrechtlichen Bewertung des Trainings generativer KI. Für das Training der KI-Modelle wird auf große Mengen von Daten zurückgegriffen, die regelmäßig urheberrechtlich geschützt sind. Das Interesse der Rechteinhaber am Schutz ihrer für das Training verwendeten Werke muss also in einen angemessenen Ausgleich mit den Entwicklungsbestrebungen der KI-Unternehmen gebracht werden. Kernthemen der Veranstaltung waren die technischen Grundlagen des KI-Trainings, ein Überblick über die aktuelle Rechtslage und die wissenschaftliche Diskussion sowie die Erörterung etwaigen gesetzgeberischen Handlungsbedarfs in diesem Bereich. Einer der zentralen Streitpunkte beim Einsatz generativer KI ist derzeit die Anwendbarkeit der Text- und Data-Mining-Schranken (kurz: TDM-Schranken) auf das Training, die eine Verwendung von Text- und Bilddaten ermöglichen würde, wenn ein Rechteinhaber keinen Nutzungsvorbehalt erklärt hat. Mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten den beiden Expertenvorträgen, die das KI-Training aus technischer und der rechtlicher Perspektive beleuchteten.
Prof. Dr.-Ing. Sebastian Stober, Professor für Künstliche Intelligenz an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, erläuterte in seinem Vortrag die Funktionsweise des KI-Trainings. Dabei machte er deutlich, dass das Training generativer KI technisch nicht in den Bereich des Text- und Data-Mining falle. Beim TDM handele es sich um die automatisierte Extraktion von neuen Informationen, Mustern und Erkenntnissen aus Datensammlungen. Bei der Erfüllung von TDM-Aufgaben könnten irrelevante Merkmale ignoriert werden, während beim KI-Training Daten vollumfänglich aus- bzw. verwertet werden müssten. Im Gegensatz zum TDM erhalte man beim KI-Training gerade keinen Erkenntnisgewinn. Stober wies dann auf das Phänomen der Memorisierung hin, bei dem man eine interne Speicherung und Generierung von Teilen der Trainingsdaten beobachten könnte, das aber noch nicht ausreichend erforscht sei.
Die Folien zum Vortrag von Prof. Stober finden Sie hier.
Dr. Lucie Antoine, Akademische Rätin a.Z. am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Recht des Geistigen Eigentums mit Informationsrecht und IT-Recht (GRUR-Lehrstuhl) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, betonte zu Beginn ihres Vortrags, dass sich aus urheberrechtlicher Perspektive inzwischen ein sehr komplexes Bild zur Zulässigkeit des KI-Trainings ergebe. Antoine zeigte auf, dass im Zuge des Trainings unzweifelhaft Vervielfältigungshandlungen stattfänden, sodass es sich im Falle der Verwendung geschützter Inhalte um eine urheberrechtlich relevante Nutzung handele. Aus praktischer Sicht stelle sich hier aber schon das Problem der Nachweisbarkeit, dass ein bestimmtes Werk zum Training benutzt wurde. Dieses Problem adressiere auch die KI-Verordnung, die die KI-Anbieter zur Erstellung einer Zusammenfassung der für das Training verwendeten Inhalte verpflichte. Eine weitere Herausforderung für das Recht stelle die internationale Dimension des Trainings dar, da das Urheberrecht in seiner Reichweite territorial begrenzt sei, relevante Nutzungshandlungen beim Training jedoch regelmäßig nicht in der EU stattfänden. Dem versuche die KI-Verordnung mit einer Verpflichtung der Anbieter zur Implementierung einer Strategie zur Einhaltung des Urheberrechts der EU abzuhelfen. Antoine halte – trotz des anderslautenden technischen Verständnisses von Text- und Data-Mining – die TDM-Schranke des § 44b UrhG für auf das Training generativer KI anwendbar. Entscheidend für eine Freistellung sei, dass der Rechtsinhaber keinen Nutzungsvorbehalt erklärt habe, dessen Voraussetzungen Antoine ausführlich beleuchtete. Zudem verwies sie auf Ausführungen zu § 44b UrhG in der LAION-Entscheidung des Landgerichts Hamburg von September 2024 und weitere internationale Entscheidungen zu TDM-Schranken. Zum Schluss widmete sich Antoine der Frage, ob auch eine privatrechtliche Durchsetzung der Pflichten der KI-Verordnung denkbar sei.
Die Präsentation zum Vortrag von Dr. Antoine kann hier abgerufen werden.
Im Anschluss an die Vorträge folgte eine rege Diskussion mit den Zuschauerinnen und Zuschauern, die sich insbesondere um Bedeutung und praktische Durchsetzbarkeit des Nutzungsvorbehalts sowie die Rolle von Verwertungsgesellschaften drehte.

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Der Einsatz generativer KI-Systeme wie ChatGPT, DALL-E oder Stable Diffusion fordert das Urheberrecht in mehrfacher Hinsicht heraus. Ein zentraler Problemkreis ist das Training der diesen Systemen zugrundeliegenden KI-Modelle unter Verwertung von Texten und Bildern, die größtenteils urheberrechtlich geschützt sind. Die Diskussion über die urheberrechtliche Zulässigkeit des KI-Trainings ist in vollem Gange. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob generatives KI-Training als Text- und Datamining zu qualifizieren und deswegen die entsprechende urheberrechtliche Schranke auf das KI-Training anwendbar ist. Erste Anhaltspunkte lieferte im Herbst 2024 ein Urteil des Landgerichts Hamburg, in dem davon ausgegangen wird, dass es sich bei der Vervielfältigung zur Erstellung eines Trainingsdatensatzes um Text- und Datamining handelt. Auch auf internationaler Ebene sind inzwischen erste Entscheidungen zur urheberrechtlichen Beurteilung des KI-Trainings ergangen. Im Rahmen der KI-Verordnung hat der Unionsgesetzgeber nun Vorschriften mit urheberrechtlichen Bezügen etabliert. Um was geht es in diesen neuen Vorgaben und welchen Einfluss hat die Verordnung auf das Training von KI? Neben der Analyse des rechtlichen Status quo ist die Frage aufgeworfen, wie den Herausforderungen künftig rechtspolitisch begegnet werden kann. Wie kann ein angemessener Ausgleich der Interessen von Rechteinhabern und KI-Unternehmen aussehen? Wer soll wie vor dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz geschützt werden bzw. davon profitieren dürfen?
Im Anschluss an die Vorträge gibt es Gelegenheit zu Fragen und Diskussion.
Termin:
Mittwoch, 9. April 2025 um 17:00 Uhr
Die Veranstaltung wird als Online-Video-Konferenz durchgeführt.
Eine Anmeldung ist erforderlich:
Bitte melden Sie sich bis zum 2. April 2025 an über: anmeldung@mainzer-medieninstitut.de
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Vorträge
„Training generativer KI-Modelle - die technische Perspektive"
Prof. Dr.-Ing. Sebastian Stober,
Professor für Künstliche Intelligenz an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
„Training generativer KI-Modelle - die rechtliche Perspektive“
Dr. Lucie Antoine,
Akademische Rätin a.Z., Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Recht des Geistigen Eigentums mit Informationsrecht und IT-Recht (GRUR-Lehrstuhl) an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Moderation
Lena Auler,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mainzer Medieninstitut