Der neue Medienstaatsvertrag – Pionier einer zukunftsweisenden Regulierung sozialer Netzwerke?

​Medienpolitischer Abend zur Regulierung von Medienintermediären im neuen Medienstaatsvertrag läutete das Jubiläumsjahr des Mainzer Medieninstituts ein. 


Mit einer Kooperationsveranstaltung mit Facebook ist das Mainzer Medieninstitut am 28. Januar 2020 in das Jahr seines 20-jährigen Bestehens gestartet. Thema des medienpolitischen Abends im Gutenberg Digital Hub war der neue Medienstaatsvertrag und die darin enthaltene Regulierung von Medienintermediären. Eröffnet wurde die Veranstaltung von der rheinland-pfälzischen Medienstaatssekretärin Heike Raab. Sie betonte, dass den Ländern mit dem ersten Medienstaatsvertrag nach 22. Rundfunkstaatsverträgen ein großer Wurf gelungen sei.

Einen kurzen Überblick über Historie, Inhalt und Stoßrichtung der Medienintermediärsregulierung im neuen Medienstaatsvertrag gab Prof. Dr. Matthias Cornils, Direktor des Mainzer Medieninstituts.  Auf dem Podium diskutierten Staatssekretärin Heike Raab, Marie-Teresa Weber, Public Policy Managerin bei Facebook, Felix Mai vom Justitiariat des ZDF, ​ Dr. Jörg Ukrow, stellvertretender Direktor der Landesmedienanstalt Saarland sowie Pascal Jürgens, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Matthias Cornils.

Cornils betonte, dass die Medienintermediärsregulierung – wie sie im neuen Medienstaatsvertrag vorgesehen ist – innovativ in Europa und der Welt ist: „Alle Welt schaut interessiert nach Deutschland.“ Auf der anderen Seite müssten sich die Medienpolitiker hierzulande vielleicht aber auch die Frage gefallen lassen, ob ein Regulierungsbedarf tatsächlich bestanden habe, wenn alle anderen Ländern bisher keine Regulierungsanstrengungen unternommen hätten.  

Staatssekretärin Raab gab zu bedenken, dass Deutschland bei der Medienintermediärsregulierung möglicherweise eben nur schneller gewesen sei als andere Länder.  

Der Einschätzung der Datenethikkommission der Bundesregierung, die in ihrem Bericht das Gefährdungspotenzial von Intermediären für die Demokratie hervorgehoben hatte, widersprach Marie-Teresa Weber. Sie unterstrich, dass auch Facebook ein Interesse daran habe, dass seine Nutzer die Funktionsweise der Rankings verstünden. Dazu gebe es eine Funktion, die jedem Nutzer individuell anzeige, warum ihm gerade ein bestimmter Beitrag angezeigt wird. Außerdem wies sie darauf hin, dass auf einem durchschnittlichen Newsfeed lediglich 4 Prozent Nachrichteninhalte stattfänden. „Wir sind keine Gefahr für die Demokratie.“

Eine Einschätzung zum Gefährdungspotenzial von Medienintermediären aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht gab Pascal Jürgens. Er verwies darauf, dass nur sehr wenige Nutzer Medienintermediäre exklusiv zum Nachrichtenkonsum verwendeten. Allerdings „wissen wir nicht viel darüber, wie die Prävalenz (von bedrohlichen Entwicklungen wie z.B. Echokammern) in der Gesellschaft ist. Wir wissen nicht, wie die Entwicklung im Zeitverlauf ist.“ Deshalb läge die größte Gefahr in der fehlenden Fähigkeit der Gesellschaft, zu sehen, was passiert. Wenn wir wirklich wissen wollten, wie groß das Risiko sei, das von Intermediären ausgehe, dann müssten wir sie beobachten. Dies sei die Aufgabe der Landesmedienanstalten. 

Felix Mai würdigte den neuen Medienstaatsvertrag. „Der große Wurf der Länder ist es, die richtigen Überschriften gesetzt zu haben.“ Denn Intermediäre wie Facebook veränderten nicht die Inhalte von Medienproduzenten wie dem ZDF, platzierten sie jedoch in einem bestimmten Umfeld. Und dieses sei natürlich für den Zugang und die Auffindbarkeit der jeweiligen Inhalte wichtig.

Aber hat der Medienstaatsvertrag mit der Forderung nach Transparenz und Diskriminierungsfreiheit auch die richtigen Instrumente gewählt, um die Medienvielfalt zu sichern? Weber zeigte sich im Grundsatz einverstanden mit den Transparenzerfordernissen, die der Medienstaatsvertrag vorgibt. Allerdings habe das Unternehmen, das sie vertrete, Bauchschmerzen bei der Anforderung, dass jede Änderung der Sortierlogik angezeigt werden müsse. „Wir ändern die Algorithmen jeden Tag, um uns vor Cyberangriffen zu schützen. Wenn wir jede Änderung vorab mit den Landesmedienanstalten abklären müssten, dann würden sich die Cyberangreifer freuen.“ Deshalb komme es entscheidend auf die Umsetzung der Transparenzvorgaben durch die Landesmedienanstalten an. Dr. Jörg Ukrow​ betonte, dass sich die Landesmedienanstalten derzeit in der Startphase ihrer Überlegungen befänden, wie eine interessengerechte Satzung aussehen könnte. Entscheidend bei der Gestaltung der Satzung sei jedoch, dass nicht Unmögliches verlangt würde.  

Auch Staatssekretärin Raab verwies darauf, dass die Medienpolitiker der Länder mit dem Medienstaatsvertrag eine grundsätzliche Regulierungsarchitektur zur Vielfaltssicherung entwerfen wollten, die in einem zweiten Schritt nun mit Leben gefüllt werden müsse.

Die Panelisten waren sich einig, dass es auch bei den Diskriminierungsvorgaben im Medienstaatsvertrag entscheidend auf ihre konkrete Ausgestaltung ankomme.

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