Rückblick: 24. Brüsseler Mediengespräch – Was sind die Lehren aus der Europawahl 2024?

Zum diesjährigen Brüsseler Mediengespräch am 14. Oktober 2024 begrüßte Staatssekretärin Heike Raab, Vorsitzende des Trägervereins des Mainzer Medieninstituts und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz, um auf das Wahljahr 2024 zurückzublicken. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage nach möglichen Lehren aus der Europawahl im Juni. Dabei ging es vor allem um Regulierungsstrategien im Umgang mit Desinformation, Chancen und Herausforderungen für die journalistische Praxis sowie politische Kommunikation bei Wahlen.

In seiner einführenden Keynote widmete sich Prof. Dr. Matthias Cornils, Direktor des Mainzer Medieninstituts und Inhaber des Lehrstuhls für Medienrecht, Kulturrecht und Öffentliches Recht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, den Phänomenen der Wahlbeeinflussung und Online-Desinformation. Cornils nahm zunächst Bezug auf den Abschlussbericht des European Digital Media Observatory zur Europawahl, nachdem es zu keinen größeren Zwischenfällen in Bezug auf Desinformationsereignisse gekommen sei und sich die Anstrengungen der Taskforce gegen entsprechende Phänomene bewährt hätten. Cornils betonte außerdem, dass Desinformation nach dem aktuellen Stand sozialwissenschaftlicher Forschung kaum messbare Auswirkungen habe. Zwar sei ein Regulierungsansatz der Vorsorge rechtlich nicht zu beanstanden. Jedoch sei bei der Auswahl regulatorischer Maßnahmen aus seiner Sicht Zurückhaltung geboten und weiterhin ein Grundvertrauen in die menschliche Reflexionsfähigkeit zu wahren. Der Unionsgesetzgeber habe inzwischen eine Breite an Instrumenten zur Sicherung verlässlicher Information und Meinungsbildung etabliert. Im Hinblick auf das Thema Desinformation seien diesbezüglich vor allem der Code of Practice 2022 und die Risikoregulierung des Digital Services Act (DSA) zu nennen. Insbesondere aufgrund der Bußgeldbewährung handele es sich beim DSA nun um ein stärkeres Instrument im Vergleich zum freiwilligen Code of Practice.

Moderiert von Eva Lindenau, Programmgeschäftsführerin bei phoenix, folgten sodann Impulsvorträge von Marysabelle Cote, Verwaltungsdirektorin und Mitglied des Vorstands von ARTE, Sabine Frank, Head of Governmental Affairs and Public Policy bei Google DACH und Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter der Direktorenkonferenz der Medienanstalten (DLM). Cote schilderte zunächst, dass ARTE sich im Rahmen der Europawahl eine Förderung der demokratischen Debattenkultur zum Ziel gesetzt und im Sinne einer langfristigen Begleitung des Publikums schon im Herbst 2023 mit der Berichterstattung zu den Wahlen begonnen hätte. Einen Schwerpunkt habe man bei erklärenden Formaten für Jugendliche gesetzt. Im Hinblick auf Desinformation verfolge man den Ansatz „prebunking statt debunking“, wonach man nicht erst auf Fake News reagiere, wenn sie schon in der Welt seien, sondern Falschinformationen präventiv mit qualitativ hochwertiger Berichterstattung zu ausgewählten Themen etwas entgegensetzen wolle. Auch Google und YouTube hätten eine Reihe von Maßnahmen rund um die Europawahl 2024 unternommen, betonte Frank. So habe man unter anderem in Kooperation mit dem Europäischen Parlament Informationen zur Wahl erarbeitet und diese auf den Plattformen ausgespielt und Wahlkämpfer durch Schulungen im Umgang mit ihren Diensten unterstützt. Auch das sog. Factchecking sei gefördert worden. Nach Franks Beobachtung hätten Desinformationskampagnen bei der Europawahl keinen Erfolg gehabt. Hier sei ein Zusammenkommen verschiedener Stakeholder ebenso wichtig gewesen wie eine frühzeitige und andauernde Kontaktaufnahme mit den Bürgern. Schmid thematisierte sodann den Handlungsbedarf in Bezug auf Desinformation aus aufsichtsbehördlicher Sicht und unterschied dabei verschiedene Gattungen des Phänomens. Besonderen Handlungsbedarf sehe Schmid in Bezug auf Propaganda und manipulative technische Vorgänge sowie Desinformationskampagnen. Insgesamt plädierte er für eine medienrechtliche Anwendbarkeit von Vereinsverboten, eine unionsweite Wahrung der Staatsferne und eine Stärkung der Auffindbarkeit guter Information.

In der anschließenden Paneldiskussion wurde die aktuelle Regulierung im Zusammenhang mit Wahlbeeinflussung und Desinformation in den Blick genommen. Sabine Verheyen, Vizepräsidentin des Europäischen Parlament, betonte, dass es mit dem DSA nun stärkere Durchsetzungsmöglichkeiten gäbe. Teilweise seien die Plattformen bemüht, den Vorgaben der Verordnung gerecht zu werden – teilweise nicht. Ein Fokus müsse weiterhin auf dem Schutz von Jugendlichen liegen, die sehr anfällig für Desinformation seien, weshalb Investitionen in die Stärkung von Medienkompetenz wichtig seien. Renate Nikolay, Stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kommission, sprach von der Europawahl als „Stresstest“ für den DSA und bilanzierte, dass der präventive Regulierungsansatz insgesamt funktioniert haben könnte. Die Instrumente des DSA würden von der Kommission mit Courage eingesetzt. Sie bemerkte positiv, dass sich alle EU-Institutionen zusammengetan hätten, um die Gesellschaft auf von Desinformation ausgehende Gefahren aufmerksam zu machen. Dem pflichtete Raab bei, die das Miteinander, auch mit etablierten Medienakteuren, im Kampf gegen Desinformation lobte.




24. Brüsseler Mediengespräch
24th Brussels Media Talk

am Montag, 14. Oktober 2024 um 17.30 Uhr // Einlass 17.00 Uhr
on Monday, 14th of October 2024 at 5.30 pm // Admission 5.00 pm

in die
at the

Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz
Representation of the State of Rhineland-Palatinate

Avenue de Tervueren 60
1040 Brüssel

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Was sind die Lehren aus der Europawahl 2024? Über Chancen und Herausforderungen der Berichterstattung sowie der politischen Kommunikation bei Wahlen möchten wir mit Ihnen und weiteren Vertreterinnen und Vertretern aus dem Medienbereich ins Gespräch kommen. Nach der Diskussion laden wir alle Gäste herzlich dazu ein, sich weiter beim anschließenden Empfang auszutauschen.

What are the lessons learned from the 2024 European elections? We would like to discuss the opportunities and challenges of reporting and political communication during elections with you and other representatives from the media sector. After the discussion, we cordially invite all guests to continue the discussion at the subsequent reception.


Welcome

Heike Raab
Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien
State Secretary and Plenipotentiary of the State of Rhineland-Palatinate to the Federal Government and for Europe and Media

Keynote

Prof. Dr. Matthias Cornils
Lehrstuhl für Medienrecht, Kulturrecht und Öffentliches Recht/Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Chair of Media Law, Cultural Law and Public Law/Johannes Gutenberg University Mainz

Impulse

Philipp Schild
Funk Programmgeschäftsführer I Funk Program Director

Heike Hempel
ARTE Vizepräsidentin und Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Fernsehfilm/Serie II
ARTE Vice President and Head of the ZDF Main Editorial Department Television Film/Series II

  • Dr. Tobias Schmid
    Direktor Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter der Direktorenkonferenz der Medienanstalten (DLM)
    Director of the Media Authority of North Rhine-Westphalia and European Commissioner of the Directors’ Conference of the Media Authorities (DLM)

  • Sabine Frank
    Head of Governmental Affairs and Public Policy Google DACH

  • Panel

    Heike Raab
    Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien
    State Secretary and Plenipotentiary of the State of Rhineland-Palatinate to the Federal Government and for Europe and Media

    Renate Nikolay
    Stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien/EU-Kommission
    Deputy Director-General for Communication Networks, Content and Technology/European Commission

    Sabine Verheyen
    EVP, Vizepräsidentin Europäisches Parlament
    EPP, Vice-President of the European Parliament

    Moderation

    Eva Lindenau
    Programmgeschäftsführerin phoenix (ARD/WDR)
    Program Director phoenix (ARD/WDR)


    Eine Verdolmetschung DE – EN wird angeboten.
    Simultaneous interpretation DE – EN will be provided.