OVG NRW: Gegenvorstellungsverfahren nach NetzDG teilweise nicht anwendbar

In einem Eilverfahren hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster vorläufig festgestellt, dass die in § 3b des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vorgesehene Pflicht zur Vorhaltung eines Gegendarstellungsverfahrens auf soziale Netzwerke mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten teilweise nicht anwendbar ist.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – Beschluss vom 21. März 2023, 13 B 381/22

Im Wege des Eilrechtsschutzes hatte Meta, die Betreiberin der sozialen Netzwerke Facebook und Instagram, die vorläufige Feststellung begehrt, dass sie den Pflichten nach § 3a und § 3b NetzDG nicht unterliegt. § 3a NetzDG statuiert die Pflicht für soziale Netzwerke, ihnen gemeldete rechtswidrige Inhalte auf Anhaltspunkte für bestimmte Straftaten zu prüfen und fragliche Inhalte mit Nutzerangaben gegebenenfalls an das Bundeskriminalamt zu melden. Nach § 3b NetzDG müssen die Anbieter außerdem ein Gegenvorstellungsverfahren vorhalten, dass es den Nutzern ermöglicht, eine Löschungs- oder Sperrungsentscheidung noch einmal überprüfen zu lassen.

Am 1. März 2022 hatte das Verwaltungsgericht (VG) Köln dem Eilantrag bezüglich der aus § 3a NetzDG hervorgehenden Pflichten stattgegeben. Der Beschluss wurde insoweit nicht angegriffen. In Bezug auf das Gegenvorstellungsverfahren nach § 3b NetzDG hatte das VG den Eilantrag aber abgelehnt, wogegen sich Meta mit ihrer Beschwerde wandte.

Vor dem OVG Nordrhein-Westfalen hatte die Beschwerde nun teilweise Erfolg. Danach sei die Antragstellerin vorläufig nicht verpflichtet, die Gegenvorstellungsverfahren zu Entscheidungen über die Löschung und Sperrung strafrechtlich relevanter Inhalte bei sogenannten NetzDG-Beschwerden vorzuhalten (§ 3b Abs. 1 und 2 NetzDG). Denn, so das OVG, die Anwendung der genannten Vorschriften auf Anbieter sozialer Netzwerke mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat – wie Meta – dürfte gegen das in der E-Commerce-Richtlinie verankerte Herkunftslandprinzip verstoßen. Das Prinzip diene dem freien Dienstleistungsverkehr und bestimme, dass Dienste der Informationsgesellschaft, also auch soziale Netzwerke grundsätzlich nur dem Recht des Mitgliedstaates unterliegen, in dem der Anbieter niedergelassen ist – im Fall von Meta also Irland. Soweit die E-Commerce-Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Verfahren zur Löschung einer Information oder zur Sperrung des Zugangs zu dieser festzulegen, dürfte sie nur Regelungen für in dem jeweiligen Land ansässige Anbieter erlauben. Eine Abweichung vom Herkunftslandprinzip wäre nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Deutschland aber nicht erfüllt.

Keinen Erfolg hatte die Beschwerde im Hinblick auf die Pflicht zur Vorhaltung eines Gegenvorstellungsverfahrens zu Entscheidungen über die Löschung oder Sperrung sonstiger Inhalte aus § 3b Abs. 3 NetzDG. Damit seien beispielsweise Inhalte gemeint, die gegen Gemeinschaftsstandards bzw. -richtlinien verstoßen. Insoweit habe das VG den Eilantrag auf vorbeugenden Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Da die Pflicht nach § 3b Abs. 3 NetzDG – anders als diejenige aus § 3 Abs. 1 und 2 NetzDG nicht bußgeldbewährt sei, sei es Meta zuzumuten, sich diesbezüglich zunächst an das zuständige Bundesamt für Justiz zu wenden. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quellen

OVG Nordrhein-Westfalen, Gegenvorstellungsverfahren nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz teilweise nicht anwendbar, Pressemitteilung vom 21. März 2023, abrufbar unter:
https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/20_230321/index.php

Beck aktuell, Facebook mit Eilantrag gegen Pflichten nach NetzDG teilweise erfolgreich, Meldung vom 21. März 2023, abrufbar unter:
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/ovg-muenster-facebook-mit-eilantrag-gegen-pflichten-nach-netzdg-teilweise-erfolgreich