EuGH: Möglicher Verstoß gegen EU-Recht durch Verbot regionaler TV-Werbung

Der EuGH hat entschieden, dass das Verbot regionaler Werbung in bundesweiten TV-Programmen gegen EU-Recht verstoßen könnte. In Betracht komme eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit und des Gleichbehandlungsgebots.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.02.2021 – C-555/19

Das Verbot regionaler Werbung in bundesweiten TV-Programmen stellt eine Verletzung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, da es den Zugang gebietsfremder Wirtschaftsteilnehmer zum deutschen Markt behindere. Jedoch könne diese Beschränkung durch einen zwingen Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Dieser Grund sei bei der streitigen Vorschrift durch den Schutz des Medienpluralismus gegeben. Fraglich sei allerdings die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung.

In Zweifel zieht der EuGH die Geeignetheit des Verbots. Denn es bestehe die Möglichkeit, dass das Ziel des Schutzes des Medienpluralismus nicht erreicht werden könne, da das Verbot nur für TV-Werbedienstleistungen, nicht aber für „-insbesondere lineare – Werbedienstleistungen, die im Internet erbracht werden“, gelte. Bei der Prüfung dieser Anforderung müsse auch der Gleichbehandlungsgrundsatz aus der EU-Grundrechtecharte einbezogen und eine etwaige Verletzung geprüft werden.

Bezüglich der Erforderlichkeit wird in Frage gestellt, ob nicht eine weniger beeinträchtigende Maßnahme möglich wäre. Diese könne in der tatsächlichen Anwendung der „Öffnungsklausel“, die bereits in der streitigen Vorschrift angelegt ist, zu sehen sein, die es den Ländern erlaubt, Ausnahmen vom Verbot vorzusehen. Dies komme nur in Betracht, wenn durch die Anwendung das Ziel der Vorschrift erreicht werden könne.

Hintergrund des Urteils ist eine Vorlage des Landgerichts Stuttgart im Rahmen einer Klage der österreichischen Firma Fussl Modestraße Mayr gegen ProSiebenSat.1. Das österreichische Unternehmen, das auch in Bayern Geschäfte betreibt, wollte Werbung allein für Bayern schalten. Aufgrund des Verbots regionaler Werbung in bundesweiten Programmen verweigerte die Vermarktungsgesellschaft des Senders jedoch die Erfüllung des Vertrags, weshalb Fussl Klage erhob.

Nun muss das LG Stuttgart unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils entscheiden, ob die Voraussetzungen zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und eine Ungleichbehandlung nationaler Fernsehveranstalter und der Anbieter von Internet-Werbung vorliegen.

Quelle

EuGH, Urteil vom 03.02.2021, C-555/19, abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=237285&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=2825918