„Das Bundesverfassungs-gericht hat keine Carte Blanche für eine Indexierung gegeben“
„Das Bundesverfassungsgericht hat keine Carte Blanche für eine Indexierung gegeben“
Experten diskutierten beim Mainz Media Forum des Mainzer Medieninstituts am 5. April 2019 über die Frage, wie künftig der Rundfunkbeitrag ermittelt werden soll.
Unter dem Titel „Indexierung des Rundfunkbeitrags? Verfassungs-, unionsrechtliche und medienpolitische Implikationen“ hat am 5. April 2019 in Mainz eine Diskussionsveranstaltung in der Reihe „Mainz Media Forum“ des Mainzer Medieninstituts stattgefunden. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie die Regelungen zur Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks künftig ausgestaltet sein sollen.
In einer kurzen Einführung stellte Prof. Dr. Matthias Cornils, Direktor des Mainzer Medieninstituts, den Vorschlag einiger Länder dar, den Rundfunkbeitrag künftig an die Entwicklung der allgemeinen Teuerungsrate zu binden („Indexierung“). Cornils, der ein Rechtsgutachten im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz zu den „Verfassungs- und unionsrechtliche Rahmenbedingungen einer Vollindexierung des Rundfunkbeitrags“ verfasst hat, skizzierte die Vorgaben des deutschen Verfassungsrechts sowie des Unionsrechts, die bei der Frage einer konkreten Ausgestaltung im Blick behalten werden müssen.
Unter der Gesprächsleitung von Cornils diskutierten auf dem Podium Prof. Dr. Karl-Eberhard Hain, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Universität zu Köln, Prof. Dr. Albrecht Hesse, Juristischer Direktor des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der Juristischen Kommission der ARD, Dr. Heinz Fischer-Heidlberger, Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), sowie Dr. Christoph Stieber, stellvertretender Leiter der Abteilung Medien und Digitales der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz.
Fischer-Heidlberger bewertete eine Abkehr vom bisherigen Verfahren und dessen Substitution durch eine Indexierung kritisch, da er keine Verbesserungen im neuen Verfahren erkennen könne. Die Gleichung Indexierung ist gleichbedeutend mit der Abschaffung der KEF – wie sie in der öffentlichen Debatte oft aufgemacht würde – sei so nicht haltbar. Vielmehr sei die KEF auch bei Umstellung auf ein neues Verfahren unverzichtbar. „Denn auch eine Indexierung muss mit einer Bedarfsprüfung der KEF verbunden sein“, gab Fischer-Heidlberger zu bedenken. Der Schlüssel zur Begrenzung der Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei der Auftrag.
Auch der Kölner Medienrechtsprofessor Hain äußerte Zweifel an dem vorgeschlagenen neuen Verfahren. Er betonte, dass das Bundesverfassungsgericht keine „Carte blanche“ für eine Indexierung gegeben habe. Aus rechtspolitischer Sicht beunruhige ihn, dass die Länderrundfunkkommission offensichtlich den Willen zum Kompromiss verloren habe. Dass acht Bundesländer – trotz des sowohl verfassungsrechtlich als auch unionsrechtlich statthaften bisherigen Verfahrens – einen neuen Vorschlag zur Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den Tisch gelegt haben, halte er für problematisch. Hinter diesem Vorschlag stecke die Furcht vor einem Erstarken der „Alternative für Deutschland“ (AfD) in den Länderparlamenten mit der Folge, dass die Zustimmung aller Länderparlamente, die für eine Änderung des Rundfunkbeitrags nötig ist, möglicherweise nicht mehr gesichert wäre. Denn Vertreter der AfD hätten sich schon vielfach gegen die Beibehaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner jetzigen Gestalt ausgesprochen. Hain kritisierte die hinter dem Vorschlag der acht Länder stehende Intention, die Anstalten unter Finanzdruck zu setzen und über das Vehikel der Finanzierung zu disziplinieren. Ein solches Vorgehen sei bedenklich, da nach wie vor der Grundsatz gelte, dass die Finanzierung dem Auftrag zu folgen habe. Hain warnte, dass eine Entparlamentarisierung, die mit einer Indexierung einhergehen könnte, den Anstalten die parlamentarische Rückendeckung entziehen könnte. Denn ohne die Einbeziehung der Parlamente seien die Anstalten einem viel größeren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, etwa wenn sie konkrete Angebote strichen oder ihre Angebotspalette erweiterten. Man dürfe den Akt der parlamentarischen Zustimmung nicht unterschätzen als Akt der Zustimmung des Volkes, so Hain. „Wenn wir einen Rückhalt in der Bevölkerung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen, dann muss klar signalisiert werden, dass 16 Landesparlamente hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehen.“ Auch für Hain liegt der Schlüssel zur adäquaten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beim Auftrag. Allerdings sei es schwer, den Auftrag zu reformieren. Ein starker Einschnitt sei weder von den Anstalten noch von den Ländern wirklich gewollt.
Für den Indexierungsvorschlag machte sich Albrecht Hesse stark. Er argumentierte, von einigen Bundesländern werde Beitragsstabilität gefordert. Wenn das bisherige Verfahren beibehalten werde, sei es nicht auszuschließen, dass in naher Zukunft einige Landesparlamente der KEF-Empfehlung nicht mehr zustimmen. „Dabei genügt ein Landtag, der der KEF-Empfehlung nicht zustimmt“, betonte Hesse. Und was dann? Hesse befürchtete, dass die Anstalten dann für einen gewissen Zeitraum handlungsunfähig sein würden. Denn dann müsse man nach Karlsruhe ziehen. Bis die Richter entschieden hätten, würden mindestens drei Jahre vergehen. Weitere zwei Jahre könnten ins Land ziehen, bevor eine vom Bundesverfassungsgericht gebilligte Änderung umgesetzt werden müsse. „Was raten Sie Rundfunkanstalten, die dann fünf Jahre mit einer Rundfunkgebühr von 17,50 Euro pro Monat und Wohnung auskommen müssen?“ Außerdem argumentierte Hesse, dass eine Indexierung mit weniger Aufwand verbunden sei als das bisherige Verfahren.
Christoph Stieber wies darauf hin, dass Rheinland-Pfalz nicht zu den „Indexländern“ gehöre und demgemäß dem Indexierungs-Vorschlag kritisch gegenüberstehe. Allerdings komme es stark auf die Ausgestaltung eines etwaig neuen Verfahrens an. Pauschale Urteile und Bewertungen seien problematisch und würden weder dem Variantenreichtum der Vorschläge noch der Vielschichtigkeit des Systems gerecht. Bisher gebe es auch noch gar kein „fertiges“ Indexierungsmodell, über das man abstimmen könne. Vielmehr habe die Rundfunkkommission Ende März den Auftrag von den Regierungschefinnen und -chefs bekommen, zu prüfen, ob ab 2023 ein indexbasiertes System möglich sei. Stieber machte deutlich, dass für Rheinland-Pfalz eine Kontrollinstanz wie die KEF weiterhin unabdingbar sei. So habe Rheinland-Pfalz einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der eine Bedarfsanmeldung vorsieht, die durch eine Indexierung prolongiert wird. „Das wäre eine Möglichkeit, um das Verfahren auf der Zeitschiene zu strecken“, so Stieber.