BVerwG: Vereinsverbot gegen COMPACT aufgehoben
BVerwG: Vereinsverbot gegen COMPACT aufgehoben
Am 16. Juli 2024 erklärte das Bundesinnenministerium (BMI) das Verbot der Compact-Magazin GmbH (COMPACT). Dabei berief sich das Ministerium auf Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Var. 2 sowie § 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG. Das Verbot wurde mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 24. Juni 2025 aufgehoben, nachdem der Senat einer Klage von COMPACT im einstweiligen Rechtsschutz bereits stattgegeben hatte. Seit einigen Tagen liegen nun die Entscheidungsgründe des Hauptsacheverfahrens vor.
COMPACT sowie ihre Teilorganisation CONSPECTFILM GmbH wurden im Jahr 2010 als Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Herausgabe eines Magazins sowie weiterer publizistischer Erzeugnisse, die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen im Zusammenhang mit diesen Publikationen sowie die Produktion von Filmwerken. Mit Verfügung vom 5. Juni 2024 untersagte das BMI die Tätigkeit der Klägerin. COMPACT sei als „zentrales Sprachrohr“ ein wichtiger Akteur der rechtsextremen Szene und richte sich in seiner Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Zum Beleg wurde unter anderem angeführt, dass COMPACT seit Ende 2021 als eine gesichert rechtsextremistische Vereinigung gelte.
Das Verfahren gegen die COMPACT und ihrer Teilorganisation warf grundsätzliche Rechtsfragen im Hinblick auf Vereinigungsverbote auf. Problematisch ist schon die Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 2 GG, da COMPACT als wirtschaftlich organisierte Mediengesellschaft dem Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs.1, S. 2 GG unterfällt und ihre Rechtsform nicht dem typischen Vereinsbegriff entspricht. Während die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf COMPACT keine größeren Probleme aufwarf – das BVerwG wies darauf hin, dass § 3 Abs. 1 VereinsG durch § 17 Nr. 1 VereinsG auch Wirtschaftsvereinigungen erfasst – stellte sich die Frage nach einem Verbot von presseunternehmen über das Vereinsrecht als größeres Problem dar. Das BVerwG führte dazu aus, dass für die Anwendung des Vereinigungsverbots nicht der Schutz durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, sondern die hinter dem Medium stehende Organisation entscheidend sei. Das Vereinigungsverbot umfasse daher auch auf Pressetätigkeit gerichtete Vereinigungen. Im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz entspreche die Unterscheidung zwischen der verbotenen Organisation und ihren Presse- und Medienerzeugnissen der Abgrenzung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen: Der Bund sei nach Art. 74 I 1 Nr. 3 GG für das Vereinsrecht zuständig, die Länder hingegen nach Art. 70 I GG für das Presse- und Medienrecht. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Vereinsrecht berücksichtige das spezifische Gefahrenpotenzial kollektiver Vereinigungen unabhängig von deren Tätigkeitsbereich. Die Ausgestaltung entspreche damit der verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungskompetenz.
So hatte das BVerwG die Frage zu klären, ob COMPACT auch die materiellen Voraussetzungen des Vereinigungsverbots erfüllt und ob ein derartiges Vereinsverbot angesichts seiner Eingriffsintensität den besonderen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genüge. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen unzulässig, welche die verfassungsmäßige Ordnung beeinträchtigen. Dafür komme es, so das BVerwG, insbesondere darauf an, ob COMPACT eine „verfassungsfeindliche“ Agenda verfolge. In diesem Kontext stellte es fest, dass sich Compact mit dem „Remigrationskonzept“ Martin Sellners identifiziere. Dieses Konzept verstoße gegen die Gleichberechtigung aller Staatsbürger nicht anerkenne und die Menschenwürde missachte. Insgesamt ergebe sich aus der Tätigkeit von COMPACT eine verfassungsfeindliche Haltung. Allerdings, so das BVerwG, erreiche diese verfassungsfeindliche Haltung nicht die für ein Verbot notwendige Prägewirkung. Dies sei allerdings erforderlich, um den intensiven Eingriff durch ein Vereinigungsverbot zu rechtfertigen, insbesondere weil es sich in diesem Fall auch um einen intensiven Eingriff in die Pressefreiheit handle. Die verfassungsfeindlichen Äußerungen machten zudem nur einen Teilbereich der Tätigkeit von COMPACT aus. In diesem Kontext sei zu beachten, dass migrationskritische bzw. -feindliche Äußerungen Ausdruck einer polemisch formulierten Machtkritik seien hinter der die verfassungsrechtlich unbedenkliche Forderung nach einer Verschärften Zuwanderungs- und Staatsangehörigkeitspolitik stehe. Aus diesen gründen sei ein Verbot von COMPACT unverhälntismäßig.
Die Entscheidung des BVerwG macht deutlich, welchen hohen Stellenwert die durch Art. 5 Abs.1, S.2 GG garantierte, Meinungs-, Presse- und Medienfreiheit auch im Kontext von Vereinigungsverboten besitzt. Zwar können Presse- und Medienunternehmen als Wirtschaftsvereinigungen nach dem Vereinsgesetz verboten werden. Bei der Prüfung eines Verbots dürfen Inhalte von Meinungsäußerungen insoweit berücksichtigt werden, als sie auf die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung abzielen. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit eines Vereinsverbots ist allerdings, inwieweit die verfassungswidrigen Bestrebungen die Vereinigung prägen und die grundrechtlichen Freiheiten angemessen zu berücksichtigen sind. Compact hat sich in der Vergangenheit mehrfach extrem scharf über Personen mit Migrationshintergrund geäußert, ihnen gleichberechtigte Teilhabe am Staat abgesprochen und sie generalisierend negativ und teilweise kriminalisiert dargestellt. Dass diese Äußerungen, die einen wesentlichen Teil der Arbeit von COMPACT ausmachen, nicht ausreichen, um ein Verbot zu begründen, zeigt, dass die Anforderungen an die „Prägewirkung“ ausgesprochen hoch sein müssen.
Quellen
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/compact-magazin-nicht-verboten
https://verfassungsblog.de/warum-das-compact-verbot-auf-grundlage-des-vereinsrechts-ergehen-konnte/
BVerwG 6 VR 1.24 – Pressemitteilung 39/2024
BVerwG 6 A 4.24, Urteil vom 24. Juni 2025