BGH konkretisiert Voraussetzungen für Netzsperren  

Der Bundesgerichtshof hat über die Voraussetzungen entschieden, nach denen Rechtsinhaber von Access-Providern die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten beanspruchen können. Die Netzsperre ist bei einer Urheberrechtsverletzung das letzte Mittel.

BGH, Urteil vom 13. Oktober 2022 – I ZR 111/21

Die klagenden Wissenschaftsverlage hatten von einem Telekommunikationsunternehmen verlangt, dass dieses den Zugang zu den Internetseiten zweier Internetdienste sperrt, auf denen wissenschaftliche Artikel und Bücher bereitgehalten würden, an denen ihnen die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Während das Landgericht München I der Klage der Verlage stattgab, wies das Oberlandesgericht München diese mit der Begründung ab, dass die Klägerinnen entgegen § 7 Abs. 4 TMG die ihnen zur Verfügung stehenden Abhilfemöglichkeiten bezüglich der Rechtsverletzung nicht ausgeschöpft hätten. Zunächst hätten sie sich an den in Schweden ansässigen Host-Provider wenden müssen.

Die gegen das OLG-Urteil eingelegte Revision zum BGH blieb erfolglos. Mit seiner aktuellen Entscheidung bleibt er auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung. Schon im Jahr 2015 hatte das Gericht entschieden, dass Internetprovider illegale Seiten im Netz nur dann sperren müssen, wenn die Rechteinhaber alles unternommen haben, um gegen Raubkopierer vorzugehen. Ein Access-Provider, der nur allgemein Zugang zum Internet vermittelt, hafte nur subsidiär im Vergleich zu den Betreibern der Internetseite oder sog. Host-Providern.

Welche Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers zumutbar sind, ist nach der Entscheidung des I. Zivilsenats eine Frage des Einzelfalls. In zumutbarem Umfang sei ein Rechtsinhaber jedenfalls dazu verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten anzustellen. Bei der gerichtlichen Durchsetzung von Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen dürften dem Rechteinhaber aber keine Maßnahmen auferlegt werden, die zu einer unzumutbaren Verzögerung seiner Anspruchsdurchsetzung führten. Gegen innerhalb der EU ansässige Betreiber oder Host-Provider habe der Rechtsinhaber jedoch grundsätzlich ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzustrengen, sofern diesem nicht jede Erfolgsaussicht fehle.

Der BGH hält die Entscheidung des Berufungsgerichts zwar nicht für rechtsfehlerfrei, jedoch für im Ergebnis richtig. Zwar ließen die Feststellungen des OLG München zur Rechtslage in Schweden offen, ob den klagenden Verlagen in Schweden ein Rechtsbehelf des einstweiligen Rechtsschutzes für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Drittauskunft gegen den dort ansässigen Host-Provider zur Verfügung gestanden hätte. Allerdings könne von den Klägerinnen der Versuch verlangt werden, vor deutschen Gerichten im Wege einer einstweiligen Verfügung einen Auskunftsanspruch gegen den schwedischen Host-Provider geltend zu machen.

Ein Anlass zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht bestehe laut BGH nicht, denn die Verlage hätten umfassend zu den von ihnen ergriffenen Maßnahmen vorgetragen. Nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens sei es nicht geboten, den Klägerinnen durch Zurückverweisung die Möglichkeit zu verschaffen, bisher unterbliebene Ermittlungsmaßnahmen erst noch zu veranlassen.

Quellen

BGH, Pressemitteilung Nr. 145/2022, „Bundesgerichtshof konkretisiert Maßnahmen, die Rechtsinhaber vor Geltendmachung eines Anspruchs auf Einrichtung von Websperren zu ergreifen haben“, Urteil vom 13. Oktober 2022 – I ZR 111/21 – DNS-Sperre, abrufbar unter:
https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/2022145.html?nn=10690868

Beck aktuell, BGH konkretisiert Voraussetzung für Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen, Meldung vom 13. Oktober 2022, abrufbar unter:
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bgh-konkretisiert-voraussetzung-fuer-netzsperren-bei-urheberrechtsverletzungen

Zimmermann/Prestin, Netzsperre bleibt letztes Mittel, Meldung vom 13. Oktober 2022, abrufbar unter:
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-izr11121-konkretisierung-voraussetzungen-netzsperren/