BGH: Keine Auslistung bei fehlendem Nachweis der Unrichtigkeit eines Inhalts

Wer einen Löschantrag gegen Suchmaschinen durchsetzen will, der auf der Fehlerhaftigkeit des entsprechenden Inhalts aufbaut, muss nachweisen, dass der verlinkte Bericht tatsächlich fehlerhaft ist.

BGH Urteil vom 23. Mai 2023 – VI ZR 476/18

In dem Verfahren ging es um verschiedene Artikel auf der Website eines US-amerikanischen Unternehmens, das sich selbst dem Ziel verschreibt, durch Aufklärung und Transparenz Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben. Diese Artikel setzen sich kritisch mit Finanzdienstleistern auseinander. Unter den Dienstleistern, über die auf diese Weise berichtet wurde, sind auch Unternehmen, für die ein Paar aus der Branche in verschiedenen Positionen tätig ist. Die beiden sehen sich durch die Berichte, von denen einer auch ein Foto des Mannes, der als Kläger auftrat, enthält, verleumdet. Deshalb begehrten sie von Google, es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in den Ergebnissen anzuzeigen, also die Auslistung der Artikel. Zudem begehrten sie ein Unterlassen von Google, das Foto des Mannes aus einem der Artikel als Vorschaubild (thumbnail) anzuzeigen. Dem Unternehmen, bei dem die streitigen Artikel erschienen waren, warfen sie wiederum problematische Geschäftspraktiken vor. Es erpresse andere Unternehmen, indem es negative Artikel über sie schreibe und dann anbiete, diese gegen Zahlung eines Schutzgeldes zu löschen und künftige negative Berichterstattung zu unterlassen. Google erklärte, man könne die Wahrheit der in den verlinkten Berichten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen und verweigerte aus diesem Grund die Löschung.

Nachdem das Landgericht Köln die Klage abgewiesen hatte und die dagegen gerichtete Berufung vor dem Oberlandesgericht Köln erfolglos blieb, gelangte der Fall nun zum Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH setzte zunächst das Verfahren aus, um dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fragen vorzulegen, die die Auslegung von Art. 17 DSGVO betrafen. Die erste Frage drehte sich darum, wie mit nicht feststehender Richtigkeit von Inhalten, gegen die eine Auslistung in den Ergebnissen einer Suchmaschine verlangt wird, umzugehen ist. Bei der zweiten Frage ging es um die zeitliche Anwendbarkeit von Normen der DSGVO. Der EuGH entschied, dass die Auslistung insbesondere nicht – wie vom BGH vorgeschlagen – davon abhänge, ob die Frage der Richtigkeit der Informationen in einem rechtlichen Verfahren gegen den Anbieter der Information geklärt wurde. Vielmehr komme es darauf an, ob die Person, die die Auslistung verlangt, Nachweise vorlege, aus denen hervorgehe, dass die aufgelisteten Inhalte oder bedeutende Teile von ihnen offensichtlich unrichtig seien. Hinsichtlich des Fotos als thumbnail komme es auf den Informationswert des Bildes an.

Diese vom EuGH vorgegebene Auslegung hat der BGH nun seinem Urteil zu Grunde gelegt und entschieden, dass der Beweis der Unrichtigkeit des Inhalts der aufgelisteten Artikel nicht geführt wurde. Der Kläger und die Klägerin hätten es versäumt, ausreichende Nachweise hierfür zu erbringen. Wie hoch der Begründungsaufwand  sein muss, damit ein Inhalt als unrichtig eingestuft werden kann, hänge vom Einzelfall ab. Klar sei die Sache jedenfalls, wenn ein anderes Urteil bestätige, dass die Information unwahr sei. Dies hatte der BGH in der Vorlage zum EuGH noch als allgemeine Anforderung für den Beweis der Unrichtigkeit vorgeschlagen. Aus diesem Grund wurde der Antrag gegenüber Google, die Auflistung der Artikel künftig zu unterlassen, abgelehnt.

Erfolgreich war die Revision dagegen hinsichtlich des Bildes des Klägers, das als thumbnail angezeigt wurde. Da das Foto für sich nicht aussagekräftig sei, komme ihm kein eigner Informationswert zu. Eine Nutzung des Fotos als thumbnail ohne jeglichen Kontext sei daher nicht gerechtfertigt.

Quellen:

Pressemitteilung des BGH “Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google”, 23.05.2023, abrufbar unter: Der Bundesgerichtshof – Presse : Pressemitteilungen aus dem Jahr 2023 – Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google

LTO “Wer vergessen werden will, muss Fehler nachweisen” vom 23.05.2023, abrufbar unter: BGH zum Recht auf Vergessenwerden (lto.de)

EuGH (Große Kammer) Urteil vom 8.12.2022 – C-460/20 = NJW 2023, 747