BGH: Kein „abgeleitetes“ Informationsinteresse der Öffentlichkeit

Der Bundesgerichtshof (BGH) setzt dem aus der Person eines prominenten Partners „abgeleiteten“ Informationsinteresse der Öffentlichkeit Grenzen: Für eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch einen Zeitungsartikel reiche es aus, wenn Informationen über einen nicht in der Öffentlichkeit stehenden Betroffenen an die Leser gerieten, die ihn so identifizieren können.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 237/21

Der Kläger, ein Rechtsanwalt aus Berlin, nahm das für die Zeitschrift „Bunte“ sowie die Website „www.bunte.de“ verantwortliche deutsche Medienunternehmen auf Unterlassung einer Wortberichterstattung und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.

Im November 2018 berichtete der Verlag über das Ende der Beziehung zwischen dem Rechtsanwalt und einem ehemaligen Eiskunstlaufstar. In der Berichterstattung wurde nur die prominente Sportlerin namentlich genannt. Auf der Titelseite hieß es: „[Voller Name von W.] Liebes-Aus! Ihr Ex-Freund hat schon eine Neue“ und „Die frühere Eiskunstläuferin ist wieder Single“. Auch auf dem Onlineauftritt des Verlags war am Vortag darüber berichtet worden. Der Berliner Jurist forderte die Redaktion erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung ab. Auch ein Eilantrag scheiterte.

Das Landgericht (LG) Berlin gab der Klage vollumfänglich statt. Das Kammergericht (KG) kürzte die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und erlaubte dem Verlag die Veröffentlichung zweier Passagen mit den Worten: „Warum kann diese […] Frau die Liebe nicht festhalten?“ Die Berichterstattung über den Kläger sei identifizierend: Es gebe einen Kreis von Personen – der zwar überschau sei, aber über den engsten Freundeskreis hinaushing –, dem die Beziehung der beiden bekannt gewesen sei und der aus der Beendigung sogleich auf die Person des Anwalts hätte schließen können.

Die Revision des Medienunternehmens beim BGH blieb erfolgslos. Der VI. Zivilsenat stufte die Aussagen der „Bunte“ über die Trennung als Verletzung der Privatsphäre des Anwalts ein. Eine ausreichende Identifizierbarkeit sei, so die Karlsruher Richter, gegeben. Für den – über den engsten Freundeskreis hinausgehenden – Personenkreis, dem die Beziehung bekannt war, drängte sich geradezu auf, dass es sich bei dem in den Artikeln als „Berliner Anwalt, 52“ bezeichneten Ex-Partner der Prominenten um den Kläger handelte. Ein dem Kläger gegenüber bestehendes Informationsinteresse an der angegriffenen Berichterstattung bestehe weder originär noch lasse es sich auf den Mitbetroffenen „ableiten“. Die konkrete Berichterstattung sei schon der prominenten Sportlerin gegenüber unzulässig gewesen, da sie private Umstände enthülle, zu denen diese sich – wenn überhaupt – nur allgemein geäußert habe.

 

Quellen

BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 237/21, veröffentlicht am 23. Januar 2023, abrufbar unter:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=132362&pos=26&anz=825

Beck-aktuell, Bericht über Trennung bei geheim gehaltener Promi-Beziehung, Meldung vom 23. Januar 2023, abrufbar unter:
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bgh-bericht-ueber-trennung-bei-geheim-gehaltener-beziehung