BGH: Auslistungsanspruch eines verurteilten Mörders gegen Google

Ein wegen Raubmordes verurteilter Mann kann von der Suchmaschinenbetreiberin Google Auslistung eines Ergebnislinks verlangen, der zu einem Artikel über das von ihm begangene, mehr als 30 Jahre zurückliegende Verbrechen führt. Der Anspruch ergibt sich aus Art. 17 DSGVO.

BGH, Urteil vom 03. Mai 2022 – VI ZR 832/20

Der Kläger hatte von Google verlangt, es zu unterlassen, einen Link zu einem Artikel anzuzeigen, der im Jahr 1988 in einem Nachrichtenmagazin erschienen war und weiterhin im Online-Archiv des Magazins über dessen Webseite zugänglich ist. Der Artikel befasst sich unter voller Namensnennung des Klägers mit den gegen ihn geführten Strafverfahren. Bei Eingabe des Vor- und Nachnamens in der Suchmaschine erschienen neben diesem Link auch Suchergebnisse zu anderen Personen.

Der Löschungsantrag des Klägers wurde von der Suchmaschinenbetreiberin abgelehnt. Sein Anliegen scheiterte sowohl vor dem Landgericht Karlsruhe als auch vor dem dortigen Oberlandesgericht. Danach müsse der Kläger vorrangig das Presseorgan in Anspruch nehmen, das für den verlinkten Artikel verantwortlich ist.

Die Revision beim BGH hatte nun vorerst Erfolg. Der VI. Zivilsenat bejahte einen Anspruch des Klägers gegen Google auf Auslistung des Ergebnislinks aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Er müsse sich nicht darauf verweisen lassen, vorrangig gegen das Presseorgan vorzugehen. Die Haftung der Suchmaschinenbetreiberin sei deshalb nicht subsidiär, weil ein umfassender Schutz der betroffenen Person nicht erreicht werden kann, wenn diese grundsätzlich vorher oder parallel bei den Inhalteanbietern die Löschung erwirken müsste. Bei der nach Art. 17 DSGVO vorzunehmenden umfassenden Grundrechtsabwägung dürften die Grundrechte des Klägers nicht hinter denen der Suchmaschinenbetreiberin und den „in deren Waagschale zu legenden Interessen“ ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und des für den verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen Presseorgans zurücktreten, so der BGH.

Eine entscheidende Rolle spiele die lange Zeit, die seit Erscheinen des Artikels vergangen sei. Längst wiege der Schutzanspruch des Klägers schwerer als das Recht der Öffentlichkeit auf Information. Es sei nicht gerechtfertigt, dass er 30 Jahre nach der Tat noch gefunden werden könne.

Der BGH verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück. Dabei habe das Gericht Folgendes zu beachten: Die Interessen des Klägers treten nicht schon dann zurück, wenn der Beitrag nicht stets an prioritärer Stelle in der Ergebnisliste erscheint. Das ist vielmehr erst dann der Fall, wenn durch den Standort des Beitrags keine ernstliche Gefahr mehr besteht, dass eine namensbezogene Suchmaschinenrecherche erfolgreich ist. Der Beitrag muss dann in der Liste so weit nach hinten gerückt sein, dass ein normaler Internetnutzer ihn nicht mehr zur Kenntnis nimmt.

Quellen

BGH, Urteil des VI. Zivilsenats vom 03.05.2022 – VI ZR 832/20, abrufbar unter:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12290&nr=129704&pos=14&anz=816.

Beck-aktuell, Anspruch eines verurteilten Mörders auf Auslistung, Meldung vom 25.05.2022, abrufbar unter:  
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bgh-anspruch-eines-verurteilten-moerders-auf-auslistung.