Urteil zum Mediathekenstreit: Einbettung von Inhalten des ZDF und ARD in Joyn

Joyn bot in der Vergangenheit Inhalte der öffentlich-rechtlichen Medien in seiner Mediathek an – ohne deren Zustimmung. Zu Unrecht, wie das LG München I nun entschieden hat.

Joyn ist ein Streaminganbieter, der zu ProsiebenSat.1 Media gehört. Auf der Plattform können Filme und Serien on Demand abgerufen werden, daneben ist es aber auch möglich, Inhalte aus dem linearen Fernsehprogramm zu streamen. Ab dem 31.05.2025 umfasste das Angebot von Joyn auch ausgewählte Inhalte von ARD und ZDF. Um Zugriff auf die von Joyn bereitgestellten Inhalte zu erlangen, gibt es für Rezipienten zwei Möglichkeiten: Zum einen kann ein kostenpflichtiges Abonnement abgeschlossen werden. Zum anderen werden Teile des Angebots über einen werbefinanzierten Zugang (sog. „Basis-Angebot“) angeboten, der eine Registrierung voraussetzt. So machte Joyn ausgewählte Sendungen der öffentlich-rechtlichen Sender über einen Link in der eigenen Mediathek zugänglich. Diesem sog. „Embedding“, bei dem eine Plattform die Inhalte Dritter auf seiner eigenen Seite zugänglich macht, hatten die öffentlich-rechtlichen Medien nicht zugestimmt. Die Sender klagten daraufhin mit Erfolg gegen Joyn auf Unterlassung. Das LG München I gab den Anträgen der beiden Sender auf einstweiligen Rechtsschutz statt.

Der Anspruch der Kläger ergibt sich aus Art. 4 Rom II-VO, § 1004 Abs. 1 S. 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 2 i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 3 MStV.

Das Gericht stellte entgegen der Argumentation von Joyn klar, dass es sich bei § 80 Abs. 1 Nr. 3 MStV um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt. Ein Schutzgesetz liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn nach Zweck und Inhalt zu mindestens auch der Einzelne bzw. eine einzelne Personengruppe gegen die Verletzung eines Rechtsgutes geschützt wird. Dabei kann ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB jede Rechtsnorm als solche sein, worunter auch Regelungen des MStV fallen. Die Norm des § 80 Abs. 1 Nr. 3 MStV schütz dabei die Dispositionsbefugnis der Sender, die selbst entscheiden, wie sie ihre Inhalte verbreiten wollen. Nach dem LG München I stehe ARD und ZDF ein gewisser Ermessenspielraum zu. Sie müssten folglich nicht jede Verbreitung durch Dritte dulden. Somit umfasse der Schutz auch, dass rundfunkähnliche Telemedien bzw. Teile davon ohne Einwilligung der Sender nicht in Angebotspaketen aufgenommen werden oder auf andere Weise öffentlich zugänglich gemacht werden dürften. Dies hat Joyn durch die Verbreitung getan und damit gegen § 80 Abs. 1 Nr. 3 MStV verstoßen.

Auch ein von Joyn geltend gemachter Kontrahierungszwang („Must-offer-Pflicht“) bestehe nicht. Ein solcher allgemeiner Kontrahierungszwang existiert im deutschen Medienrecht nicht. Eine Must-Offer-Pflicht komme nach dem LG München I auch nicht speziell für die öffentlich-rechtlichen Sender in Betracht. Dieser könnte sich zwar aus §§ 26, 48 S. 1 MStV ergeben, wonach die öffentlich-rechtlichen Anbieter ihre Inhalte auf einem geeigneten Weg verbreiten sollen. Aus diesen Normen lasse sich allerdings kein allgemeines Recht für Dritte ableiten, Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender zu verbreiten. Ein subjektives Recht für den Plattformanbieter könne sich nur aus speziellen Ermächtigungen wie § 101 Abs. 3 Nr. 4a MStV ergeben. § 48 MStV enthalte eine solche Ermächtigung nicht. § 48 S. 1 MStV gebe den öffentlich-rechtlichen Anstalten gerade eine Ermessensauswahl über die Art der Verbreitung, was sich an dem Wort „können“ ableiten lasse. Es sei nicht ersichtlich, dass die öffentlich-rechtlichen Medien hier ihr Ermessen missbraucht hätten. Vor allem sei es legitim, dass die Sender ihre Inhalte über die eigene Mediathek und über selbst ausgewählte Drittanbieterplattformen – wie etwa YouTube – durch direkte Verlinkung anböten. Zudem entstehe auch kein Kontrahierungszwang, wenn für den Sender selbst ein Nachteil entstehe, etwa, wenn Joyn das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender ohne deren Zustimmung auf seiner Plattform anbietet.

Zudem sah das Gericht in der Untersagung der Verbreitung auch keinen kartellrechtlichen Verstoß geben. Die Sender hätten ein berechtigtes Interesse selbst zu entscheiden, wie und wo ihre Inhalte verbreitet werden. Auch etwaige mögliche Änderung des MStV (unter anderem auch der § 30d Abs. 2 MStV-E), die Joyn vorgebracht hat, finden keine Berücksichtigung in der Entscheidung. Bei der Entscheidungsfindung sei auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt, nicht auf etwaige zukünftige Regelungen.

Die Entscheidung des LG München I hat die Position der öffentlich-rechtlichen Sender im Umgang mit ihrem Programm deutlich gestärkt. So wurde klargestellt, dass Embedding nicht ohne weiteres zulässig ist. Vielmehr haben die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender einen weiten Spielraum dabei zu bestimmen, in welcher Art und Weise ihre Inhalte von fremden Anbietern genutzt werden dürfen.

 

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