Rückblick: 23. Mainzer Mediengespräch: Wie prägen Leitmedien die öffentliche Meinung?


Das 23. Mainzer Mediengespräch drehte sich am 4. Mai 2023 um die Frage, welche Funktion den Leitmedien bei der öffentlichen Meinungsbildung zukommt. Nachdem die Veranstaltungen der letzten Jahre coronabedingt alle online durchgeführt worden waren, konnten in diesem Jahr endlich wieder über 100 interessierte Gäste im Atrium Maximum der Johannes Gutenberg-Universität empfangen werden.

Prof. Dr. Matthias Cornils begrüßte zum interdisziplinären Gespräch Florian Hager, Intendant des Hessischen Rundfunks (HR), Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig, Prof. Dr. Marcus Maurer, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Dr. Uwe Volkmann, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie Prof. Dr. Dr. Michel Friedman, der die Veranstaltung moderierte.

Dem Moderator ging es zunächst darum, den Begriff des Leitmediums zu definieren und seine Berechtigung zu klären. Rechtsphilosoph Volkmann näherte sich von normativer Seite: Das Konzept des Leitmediums ließe sich verfassungsrechtlich und demokratietheoretisch gut begründen. Wenn man Demokratie als öffentlichen Vernunftgebrauch begreife, müsse der gesellschaftliche Meinungsaustausch eine gewisse Qualität haben, die durch Leitmedien im Wege einer Meinungsmoderation gewährleistet werden könne.

Friedman, selbst Jurist, Philosoph und Publizist, legte den Finger in die Wunde: Wie können die etablierten neben den sozialen Medien ihrer Leitfunktion in Zukunft noch gerecht werden? Hager machte hier deutlich, dass es aus seiner Sicht entscheidend darauf ankomme, auch in den Leitmedien – insbesondere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Dialogräume für Nutzerinnen und Nutzer zu schaffen und Meinungsaustausch zu ermöglichen.

Ein zentraler Punkt der Diskussion war immer wieder die Frage des Vertrauens der Menschen in Deutschland in die Leitmedien. Die Autoren Richard David Precht und Harald Welzer hatten im letzten Jahr in einem viel beachteten Buch den Vorwurf erhoben, dass die Berichterstattung der benannten Akteure, insbesondere im Zusammenhang mit der Pandemie und dem Ukrainekrieg, zu einseitig gewesen sei und dies letztlich zu abnehmendem Medienvertrauen in der Bevölkerung und einer Gefährdung der Demokratie führen würde. Kommunikationswissenschaftler Maurer, der diese Einseitigkeitsfrage in verschiedenen Kontexten intensiv empirisch erforscht hat, widersprach den Thesen des Buches. Man könne zwar feststellen, dass es auch immer wieder Einseitigkeitstendenzen in der Berichterstattung gebe, dies sei allerdings kein dauerhafter Zustand. Auch im Hinblick auf das Medienvertrauen der Deutschen gab Maurer Entwarnung: 70-80 Prozent der Bevölkerung vertrauten den Leitmedien, weshalb man das Problem nicht größer machen sollte, als es tatsächlich sei. Dem schloss sich auch Hoffmann, der zweite Kommunikationswissenschaftler in der Runde, an, der Einseitigkeit als „vorübergehendes Phänomen“ einordnete. Er warb für ein höheres Selbstbewusstsein in den Leitmedien. Für die Entwicklung eines grundlegenden Systemmisstrauens gebe es keine empirischen Anhaltspunkte. Außerdem seien Bürgerinnen und Bürger nachweislich sehr gut in der Lage, Qualitätsinhalte von Fake News zu unterscheiden, weshalb entsprechende Gefahren für die Demokratie konkret nicht bestünden.

Auch aus dem Publikum kamen im Anschluss an die Paneldiskussion anregende Fragen, unter anderem zur Kennzeichnungspraxis von Meinungen und Kommentaren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zum praktischen Verständnis von journalistischer Verantwortung und zur Bedeutung von Lokaljournalismus. Moderator Friedman schloss mit einem Plädoyer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ermutigte dazu, diesen engagiert zu kritisieren, ihn aber als Institution nicht in Frage zu stellen, da er einen entscheidenden Beitrag zur Qualität in der deutschen Medienlandschaft leiste. 

Dr. Simone Schelberg, Co-Direktorin des Mainzer Medieninstituts, schloss die Veranstaltung mit Dank an alle Beteiligten und leitete daraus einen Impuls auch für die Institutsarbeit ab. Eine kritisch-konstruktive Begleitung der Leitmedien sei zentral für das Aufgabenprofil des Mainzer Medieninstituts und Ausgangspunkt für kommende Veranstaltungen. 




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Vielfalt, Verantwortung, Vertrauen - Wie prägen Leitmedien die öffentliche Meinung? 

Eine der wichtigsten Funktionen von Medien in der Demokratie ist die Herstellung von Öffentlichkeit. Dabei handelt es sich um einen komplexen Prozess, in dem eine Vielzahl an Meinungen und Interessen geordnet, bewertet und zueinander in Bezug gesetzt werden müssen.

Migration, Impfpflicht, Waffenlieferungen – im Kontext der großen Fragen unserer Zeit wird immer wieder kritisiert, dass es der deutschen Medienlandschaft an Perspektivenvielfalt mangele. Der Vorwurf: Viele Bürgerinnen und Bürger sähen ihre Stimme in den Medien nicht mehr ausreichend abgebildet. Diese unzureichende Pluralität gefährde letztlich sogar das Vertrauen in die Demokratie. Stimmt das? Fehlt es der Berichterstattung in deutschen Leitmedien tatsächlich an echter Vielfalt und sind sie zu einseitig, zu dramatisch und zu elitär?

Diese Fragen diskutiert Michel Friedman mit Gästen aus Wissenschaft und Medienpraxis.

> Einladung

Termin:
Donnerstag, 04. Mai 2023 um 18:00 Uhr

Ort der Veranstaltung:
Alte Mensa (Atrium maximum) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Johann-Joachim-Becher-Weg 5, 55128 Mainz

Im Anschluss Empfang.

Eine Anmeldung ist erforderlich:
Bitte melden Sie sich bis zum 27. April 2023 an über: anmeldung@mainzer-medieninstitut.de

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begrüssung

Prof. Dr. Matthias Cornils/Dr. Simone Schelberg
Direktoren des Mainzer Medieninstituts

diskussion

Florian Hager
Intendant des Hessischen Rundfunks

Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Professor für Kommunikationsmanagement, Universität Leipzig 

Prof. Dr. Marcus Maurer
Professor für Kommunikationswissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Prof. Dr. Uwe Volkmann
Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Moderation

Prof. Dr. jur. Dr. phil. Julien Michel Friedman
Jurist, Publizist, Philosoph