Rückblick: 23. Brüsseler Mediengespräch: European Media Freedom Act – state of play

Beim diesjährigen Brüsseler Mediengespräch am 10. Oktober 2023 in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz ging es um den aktuellen Stand im Rechtsetzungsverfahren zu einem Europäischen Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act, kurz: EMFA). Nachdem sich inzwischen sowohl der Europäische Rat als auch das Europäische Parlament jeweils auf einen Standpunkt zum geplanten Medienfreiheitsgesetz geeinigt haben, stehen nun die sogenannten Trilogverhandlungen zum EMFA bevor.

Nach Impulsvorträgen von Prof. Dr. Matthias Cornils, Direktor des Mainzer Medieninstituts, Dr. Renate Dörr, Justitiariat und Europabüro des ZDF, Daniela Beaujean, Geschäftsführerin von VAUNET und Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter der Direktorenkonferenz der Medienanstalten, folgte jeweils eine Diskussion der aufgeworfenen Fragen und Anmerkungen durch drei Vertreterinnen der am Rechtsetzungsverfahren beteiligten Akteure. Petra Kammerevert, Mitglied des Europäischen Parlaments und des Ausschusses für Kultur und Bildung (CULT), gewährte dabei Einblicke in Arbeitsprozesse des Parlaments zum EMFA, während Renate Nikolay, stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kommission, die Position ihres Hauses deutlich machte. Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, brachte die Sichtweise des deutschen Mediengesetzgebers auf den Verordnungsentwurf ein. Moderiert wurde das Gespräch von Sandra Parthie, Leiterin des Brüsseler Büros des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Den Auftaktimpuls aus rechtswissenschaftlicher Perspektive gab Matthias Cornils, der sich schwerpunktmäßig mit Fragen zum Anwendungsbereich sowie den in Artikel 4 und 6 des Verordnungsentwurfs vorgesehenen Rechten und Pflichten der Mediendiensteanbieter auseinandersetzte. Cornils wies darauf hin, dass der EMFA sehr heterogene Regelungsbereiche umfasse und von einer Art „Hybridität“ zwischen Verordnung und Richtlinie gekennzeichnet sei. Unklar sei bisher, ob Kapitel II nur für Anbieter mit Niederlassung in der EU oder auch für solche aus Drittstaaten gelte und ob das Herkunftslandprinzip zur Anwendung kommen solle. Auch die Frage, ob das III. Kapitel mit seinen elaborierten Regelungen zur Aufsicht nicht doch auch auf die materiellen Mediendiensteanbieterpflichten des II. Kapitels anwendbar ist, lasse sich dem Vorschlag nicht eindeutig entnehmen. Daher sei auch die aus deutscher Sicht zentrale Frage mit Blick auf den Anwendungsbereich, ob durch den EMFA künftig auch die Presse unter Aufsicht gestellt werden soll, bemerkenswert unklar. Es bleibe zu wünschen, dass diese elementare Fragen betreffenden Unklarheiten im Rechtsetzungsverfahren noch ausgeräumt würden. Im Hinblick auf Artikel 4 ging Cornils auf die erheblichen Änderungen durch den Parlamentsentwurf ein und zog das Einflussnahmeverbot bezüglich redaktioneller Entscheidungen in seiner Absolutheit in Zweifel. Die Vorschrift sei ein Beispiel für einige Normen des EMFA, die in der stark ausgeweiteten Parlamentsfassung nun über eine bloße Mindestharmonisierung weit hinausgingen. Thematisiert wurde auch der in Art. 4 adressierte Aspekt des Quellenschutzes. Petra Kammerevert betonte die herausragende Bedeutung desselben für den CULT und verteidigte den in der Parlamentsposition vorgesehenen Richtervorbehalt. Auch Renate Nikolay bestätigte den deutlichen Handlungsbedarf beim Thema Quellenschutz vor dem Hintergrund der EU-Rechtsstaatlichkeitsberichte aus den letzten drei Jahren. Bezüglich Artikel 6 wies Cornils auf das neu hinzugekommene administrative Element durch verstärkte Einbindung von Regulierungsstellen in die Kontrolle der Einhaltung von Informationspflichten der Anbieter hin und zeigte auf, dass durch den Vollregelungsanspruch entsprechender Vorgaben à la longue eine Veränderung des Presserechts zu erwarten sei.

Im zweiten Impulsvortrag unterzog Renate Dörr die Positionen zum EMFA sodann einem „Realitätscheck“ und stellte die Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Sie wies insbesondere auf die bloßen Soll-Formulierungen des Artikel 5 betreffend die mitgliedstaatliche Pflicht zur Gewährleistung von Unabhängigkeit und stabiler Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Ratsposition hin, die sich tatsächlich kontraproduktiv auswirken könnten. Dörr begrüßte die in Artikel 17 vorgesehenen Pflichten für sehr große Online-Plattformen, da die Vorschriften des Digital Services Act diesbezüglich nicht ausreichend gewesen seien. Vom Panel wollte Dörr sodann wissen, wo es für die beteiligten Akteure im Rahmen der Trilogverhandlungen „rote Linien“ geben werde und wo Raum für Kompromisse verbleibe. Kammerevert sah rote Linien beim Quellenschutz, beim Schutzniveau von Journalisten und bei den Pflichten für die sehr großen Online-Plattformen. Auch Nikolay bekräftigte, dass die Ziele des Digital Services Act mit dem EMFA keinesfalls minimiert werden dürften. Diskussionsbedarf bestehe noch über die exakte Dauer der Stellungnahmefrist für sogenannte anerkannte Mediendiensteanbieter bei deren Aussetzung oder Einschränkung durch den Plattformbetreiber. Heike Raab warnte insgesamt vor der Gefahr eines „downsizings“ des Schutzniveaus in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen bereits hohe Standards etabliert seien.

Daniela Beaujean thematisierte im dritten Impuls insbesondere die in Artikel 21 des Entwurfs vorgesehenen Vorgaben für die Bewertung von Zusammenschlüssen auf dem Medienmarkt sowie die in Art. 23 enthaltenen Regelungen zur Reichweitenmessung und forderte, im Rechtsetzungsverfahren die Wettbewerbsfähigkeit privater Unternehmen in den Blick zu nehmen. Zum einen beunruhige sie die bevorstehende Einführung eines neuen „Regulierungslayers“ im Bereich des Medienkonzentrationsrechts durch zusätzliche Einbindung von EU-Kommission und Gremium in die Medienaufsicht. Zum anderen sei bisher ungeklärt, wann konkret beispielsweise eine Beeinträchtigung des Binnenmarkts im Sinne des Artikel 21 vorliege, was sich auf potenzielle Zusammenschlüsse negativ auswirke. Angesichts der kurzen Zeit in den Trilog-Verhandlungen stellte sie die Frage, ob entsprechende Themen überhaupt ausreichend behandelt werden könnten. Kammerevert merkte dazu an, dass sie nicht glaube, dass man in der eingeplanten Zeit zu einem Ergebnis käme. Nicolay wies darauf hin, dass sich die Zeitfrage so nicht stelle, da die Trilogverhandlungen bereits Wochen vorher intensiv vorbereitet würden.

Im vierten Impuls führte Tobias Schmid schließlich zu den im Art. 17 des Entwurfs vorgesehenen Pflichten für sehr große Plattformen sowie zu den im Medienfreiheitsgesetz vorgesehenen neuen Aufsichtsstrukturen aus. Schmid betonte die Bedeutung des Unabhängigkeitserfordernisses der Aufsicht. Schon in Art. 30 der AVMD-Richtlinie sei das Gebot der staatsfernen Organisation von Regulierungsbehörden statuiert. Innerhalb der Aufsichtsstruktur sei daher die Frage nach einem Zugriff der EU-Kommission auf das Sekretariat des Gremiums ganz entscheidend. Insgesamt bewertete Schmid den EMFA als „mutigen, richtigen Akt“ und plädierte für ein Zutrauen in eine föderale staatsferne Aufsicht.

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Beim 23. Brüsseler Mediengespräch steht der Vorschlag für einen Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit im Fokus. Wir wollen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Praxis und dem Publikum über den Gesetzgebungsvorschlag diskutieren. 
Nach der Paneldiskussion laden wir alle Gäste herzlich dazu ein, sich weiter beim anschließenden Empfang auszutauschen. 

 The 23rd Brussels Media Talk will focus on the proposal for an European Media Freedom Act. We want to discuss the legislative proposal with representatives of politics, science, practice and the audience. After the panel discussion, we invite all guests to a further exchange at the following reception.

Dienstag, 10. Oktober 2023 I 17.30 Uhr I Einlass: 17.00 Uhr
Tuesday, 10th of October 2023 I 5.30 pm I doors open: 5.00 pm

Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz
Representation of the State of Rhineland-Palatinate
Avenue de Tervueren 60, 1040 Brüssel

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Welcome

Heike Raab
Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien 
State Secretary and Plenipotentiary of the State of Rhineland-Palatinate to the Federal Government and for Europe and the Media

Impulse

Dr. Renate Dörr
 Justitiariat und Europabüro/ZDF
Legal Department and European Affairs/ZDF

Daniela Beaujean
Geschäftsführerin/VAUNET
Managing Director and Head of Legal and Regulatory Affairs/VAUNET

Prof. Dr. Matthias Cornils 
Lehrstuhl für Medienrecht, Kulturrecht und Öffentliches Recht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Chair of Media Law, Cultural Law and Public Law at the Johannes Gutenberg University Mainz

Dr. Tobias Schmid
Direktor/Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter/Direktorenkonferenz der Medienanstalten (DLM)
Director/Media Authority of North Rhine-Westphalia and European Commissioner/Directors’ Conference of the Media Authorities (DLM)

Panel

Petra Kammerevert (angefragt)
MdEP und Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung (S&D)
MEP and CULT-Member

Heike Raab
Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien 
State Secretary and Plenipotentiary of the State of Rhineland-Palatinate to the Federal Government and for Europe and the Media

Renate Nikolay
Stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien/EU-Kommission
Deputy Director-General for Communication Networks, Content and Technology/European Commission

Moderation

Sandra Parthie
Leiterin des Brüsseler Büros Institut der deutschen Wirtschaft
Head of Brussels Liaison Office German Economic Institute


Eine Verdolmetschung DE – EN wird angeboten.
Simultaneous interpretation DE – EN will be provided.