20 Jahre Mainzer Medieninstitut: Jubiläumsveranstaltung

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, Malu Dreyer, würdigte das Mainzer Medieninstitut als „renommiertes, hoch anerkanntes Institut“.

Mit einer akademischen Festveranstaltung unter dem Titel: „Welche Medien braucht die Plattformgesellschaft?“ hat das Mainzer Medieninstitut am 6. März 2020 seinen 20. Geburtstag in den Räumen des ZDF gefeiert. Das Institut wurde vor 20 Jahren auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, gegründet, um Wissenschaft, Forschung und Bildung auf dem Gebiet des Medienrechts zu fördern. Gründungsdirektor war der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Dieter Dörr, der das Institut bis zu seiner Emeritierung leitete. Seit dem Jahr 2018 ist das Institut unter der Leitung der Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Stark und des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Matthias Cornils interdisziplinär aufgestellt. Das Mainzer Medieninstitut wird getragen vom Land Rheinland-Pfalz, dem SWR, dem WDR, dem ZDF sowie der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz.

In ihrer Begrüßung würdigte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, Malu Dreyer, das Mainzer Medieninstitut als „renommiertes, wissenschaftliches Institut“, das sich durch fundierte Grundlagenforschung als Impulsgeber der Politik einen Namen gemacht habe. Ob in Fragen von Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder seiner Finanzierung, die Politik sei dankbar gewesen für fundierte wissenschaftliche Begleitung durch das Institut. „Es ist wichtig, dass man gute Grundlagen hat, auf deren Basis man diskutieren kann“, so Dreyer. Dabei sei das Mainzer Medieninstitut mehr als eine Forschungseinrichtung. Mit seinen Veranstaltungsformaten wie den Mainzer und den Brüsseler Mediengesprächen habe es wichtige Diskussionsforen ins Leben gerufen. Die interdisziplinäre Neuausrichtung des Instituts mit einer Doppelspitze würdigte Dreyer als ein wichtiges Signal in Zeiten der Medienkonvergenz.

Dr. Norbert Himmler, Programmdirektor des ZDF, hob die Beratungskompetenz des Mainzer Medieninstituts auf hohem wissenschaftlichem Niveau hervor. Diese habe es erst kürzlich mit einem Gutachten zu den Möglichkeiten einer Vollindexierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Beweis gestellt. Und auch in Zukunft sei der Bedarf an wissenschaftlicher Begleitung hoch. Denn das ZDF befindet sich, so Himmler, im größten Umbruch seit seiner Gründung. Waren im Jahr 2000 die Hauptkonkurrenten noch die privaten Fernsehsender, so seien es heute die Streamingplattformen. Die Mediennutzung habe sich grundlegend geändert. Heute nutzten die unter 30-Jährigen mehr Streaming-Dienste als lineares TV. Das sei eine Entwicklung, auf die sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten einstellen müssten. „Wenn wir weiterhin fundierte Begleitung durch das Mainzer Medieninstitut bekommen, dann ist mir auch vor der Zukunft nicht bange“, sagte Himmler.  

Dr. Hermann Eicher, Justiziar des SWR, zeichnete die Entstehungsgeschichte des Mainzer Medieninstituts nach. Am Anfang sei es „erfrischend flott“ zugegangen. Etwa ein halbes Jahr nachdem der damalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, einen ersten Entwurf für ein akademisches Institut verschickt habe, seien auch schon die ersten Gründungsmitglieder des Trägervereins an Bord gewesen. Ein Ort für das neue Institut sei schnell in der Kaiserstraße gefunden gewesen. „Damals wurde nicht gefragt, was nicht geht, sondern alle haben mit angepackt“, charakterisierte Eicher den Pioniergeist der 2000-er Jahre. Ein Glücksfall sei auch der Gründungsdirektor, Prof. Dr. Dieter Dörr, gewesen. Ihn charakterisierte Eicher als „Hans Dampf in allen Gassen“, der mit seinem Engagement das Institut wesentlich prägte. Dörr sei auch der am Mainzer Medieninstitut angesiedelte Masterstudiengang „Medienrecht“ zu verdanken, der mittlerweile als Kaderschmiede für Medienrechtler gilt. Eicher würdigte das Mainzer Medieninstitut als Brückenkopf für die Verbindung zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern sowie den Landesmedienzentralen.  

Prof. Dr. Mark Cole, Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht an der Universität Luxemburg, berichtete als Dozent der „ersten Stunde“ über den Masterstudiengang „Medienrecht“. Der bereits im Wintersemester 2002/2003 ins Leben gerufene Weiterbildungsstudiengang könne mittlerweile als „riesiger Erfolg“ bezeichnet werden. Er habe inzwischen rund 400 Absolventen, von denen sehr viele im medienrechtlichen Bereich arbeiteten und nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische medienrechtliche Szene prägten. Für seinen Pioniergeist dankte Cole dem Gründungsdirektor Dieter Dörr, der die Studierenden in seinen Bann gezogen habe. Die neuen Direktoren Birgit Stark und Matthias Cornils hätten Wichtiges geleistet bei der interdisziplinären Aufstellung des Instituts. Und bei der Geschäftsstelle habe er sich als Dozent immer gut aufgehoben und betreut gefühlt.  

Die interdisziplinäre Ausrichtung habe auch das Programm der Festveranstaltung geleitet, so Birgit Stark.

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Christoph Neuberger, Direktor des Weizenbaum-Instituts für vernetzte Gesellschaft, referierte zum Thema „Vermittlungsleistungen in der digitalen Öffentlichkeit“. Er charakterisierte folgende Werte der Demokratie als Maßstab für eine funktionierende Öffentlichkeit: Informationsqualität, Diskursqualität, Freiheit, Gleichheit, Vielfalt, Machtverteilung, Kritik und Kontrolle, Integration und Sicherheit. Diese Werte müssten auch ins „Internet“ übertragen werden. Allerdings seien sie durch die Netzkommunikation gefährdet. So sei beispielsweise der Wert „Informationsqualität“ durch Fake-News im Internet bedroht, die Diskursqualität durch die Verrohung der Diskurse im Netz und die Sicherheit durch Eingriffe in die Privatsphäre und Cyberkriminalität. Außerdem skizzierte Neuberger die Unterschiede bei der Vermittlungsleistung von Massenmedien einerseits und den neuen Protagonisten im Internet. Während die Vermittlungsleistung der Massenmedien im Produzieren und Bereitstellen von Inhalten bestand, erbringen die Akteure im Internet neue Vermittlungsleistungen. Sie archivieren, navigieren, moderieren, ermöglichen und erbringen Innovation. Diese Vermittlungsleistungen werden nicht nur von klassischen Journalisten, sondern auch von Bürgerjournalisten und Algorithmen übernommen. Um die Qualität der Vermittlung zu steigern, sollten Qualitätsdiskurse weitergeführt und Qualitätsmonitorings – wie in der Schweiz – durchgeführt werden.

Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Vesting, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Recht und Theorie der Medien an der Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, referierte zum Thema „Die institutionelle Garantie der Rundfunkfreiheit und die neue Logik der Content-Curation in elektronischen Netzwerken“. Intensiv setzte sich Vesting mit dem Modell öffentlicher Meinungsbildung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Konrad Hesse auseinander, der davon ausgegangen war, dass politische Antriebe nur in geringem Maße von Einzelpersonen ausgehen. Die öffentliche Meinungsbildung ist – so Hesse – durch drei konzentrische Kreise darstellbar. Im äußersten Kreis seien „spontane Meinungsäußerungen“ verortet, im mittleren Kreis die intermediären Kräfte der organisierten Gruppeninteressen, also die Presse und der Rundfunk. In ihnen finde die Vorformung des politischen Willens statt. Im innersten Kreis sei die Parlaments- und Regierungskommunikation angesiedelt. Aus diesem Modell ergebe sich das Erfordernis, Art. 5 GG anders zu interpretieren als andere Grundrechte. Art 5 GG sei ein Grundrecht ohne Person, das zuvörderst eine institutionelle Sicherung, also die Sicherung der Presse und des Rundfunks darstelle. Nach Hesses Modell ist die Einzelperson nur im äußersten konzentrischen Kreis an der öffentlichen Meinungsbildung beteiligt, ansonsten kann sie sich nur als Teil von Organisationen einbringen.

Durch die Möglichkeiten der Netzkommunikation habe sich diese Situation grundlegend geändert. Heute brauche das Individuum keine großen Organisationen mehr, um die eigenen Meinungen zu verbreiten. Vielmehr könne es sich direkt an die Menschen wenden. Damit einher gehe ein tiefer disruptiver Einschnitt sowohl in ökonomischer als auch in medialer, kultureller und rechtlicher Hinsicht. Die bisherigen Medienorganisationen müssten sich den neuen Logiken anpassen. In dieser Gemengelage stellt sich die Frage, ob heute noch an der institutionellen Lesart der Kommunikationsfreiheit festgehalten werden könne. Vesting beantwortet die Frage mit „Ja“. Allerdings müsse auf den Prüfstand gestellt werden, ob man der Logik der neuen Medien mit einer Regulierung antworten sollte, die auf Massenmedien, insbesondere auf den Rundfunk ausgerichtet ist. So habe Google als globale Suchmaschine wenig bis nichts mit der institutionellen Garantie des Rundfunks zu tun. Ihre Einbeziehung in das Regulierungsregime des Rundfunkrechts führe in der Praxis zu einer Überforderung der Landesmedienanstalten und würde das schon jetzt unübersichtliche Regulierungsregime in Deutschland noch unübersichtlicher machen.

Anschließend diskutierten auf dem Podium Heike Raab, Staatssekretärin für Medien und Digitales in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Dieter Dörr, Gründungsdirektor des Mainzer Medieninstituts, Dr. Marc Jan Eumann, Direktor der Landeszentrale für Medien und Kommunikation  Rheinland-Pfalz, die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Wiebke Möhring sowie der Justiziar des ZDF, Peter Weber. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Eva Lindenau, ARD-Programmgeschäftsführerin bei phoenix. 

In Anspielung auf den jüngsten Kommentar von Friedrich Merz eröffnete Lindenau die Diskussionsrunde mit der Frage, ob wir die klassischen Medien überhaupt noch brauchen. Raab bekannte sich ausdrücklich zu den etablierten Medien. Sie räumte ein, dass in unserer disruptiven Zeit User-generated-Content große Wirkmacht erlangt hätten. Allerdings ordne dieser nicht ein. Das unterscheide ihn von redaktionell-journalistischen Inhalten, die Faktenchecks durchführten. Auch Weber betonte die Bedeutung der klassischen Medien. Faktenchecks und Einordnung des Geschehens seien unverzichtbare Bestandteile journalistischer Arbeit. Dörr betonte: „Wir brauchen in einer Welt, in der es viele Falschnachrichten gibt, Inseln der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit mehr denn je.“

Der in der Öffentlichkeit immer wieder verbreiteten Sorge, die klassischen Medien könnten für die Informationsrezeption der Nutzer in die Bedeutungslosigkeit versinken, widersprach die Kommunikationswissenschaftlerin Möhring. Es sei zwar richtig, dass die Nachrichtennutzung zu einem großen Teil im Internet stattfinde. Die alleinige Nachrichtenquelle seien Medienintermediäre selbst für junge Menschen jedoch nicht. So bezögen lediglich 5 Prozent der jungen Menschen bis 24 Jahren ihre Nachrichteninformationen ausschließlich über Medienintermediäre. „Diese Zahlen sind noch lange nicht Besorgnis erregend für die Vermittlung von journalistischen Inhalten“, sagt Möhring. Weber verwies darauf, dass soziale Medien nicht sozial seien, sondern Wirtschaftsunternehmen, die ökonomisch getrieben sind. Dies strahle natürlich auch auf die Inhalte ab.

Auch mit der Frage, ob die klassischen Medien durch die Existenz von Medienintermediären boulevardesker werden müssten, beschäftigte sich die Runde. Dass dies nicht der Fall sein müsse, betonte Dörr: „Der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht können dafür die Voraussetzungen schaffen.“ Er verwies darauf, dass die Demokratie eine Staatsform der Hochkultur sei, die von umfassend informiertem Bürger lebe. Noch schlimmer als der nicht-informierte Bürger sei der fehl-informierte Bürger. Um die Bürger umfassend zu informieren, bräuchten wir die klassischen Medien. Bei den bedeutenden Anbietern von Medienintermediären handele es sich lediglich um zwei Unternehmen, die ihren Sitz nicht in Deutschland, sondern im Silicon Valley haben. Damit verbunden sei eine (potenzielle) Meinungsmacht, die auch missbraucht werden könne. Besorgniserregend sei auch, dass man derzeit medienrechtlich nichts dagegen unternehmen könne, wenn beispielsweise Google RTL erwerben würde. Eumann erinnerte daran, dass die Lizenzpresse und der öffentlich-rechtliche Rundfunk Geschenke der Alliierten waren. Nun gelte es, dieses Geschenk zu bewahren und den Qualitätsjournalismus als meritorisches Gut zu sichern.

Zum Abschluss würdigte die Runde den neuen Medienstaatsvertrag, der noch in diesem Jahr in Kraft treten soll. Für Weber wird mit dem neuen Medienstaatsvertrag ein deutlicher Fortschritt erreicht. „Bisher hatten wir einen hochregulierten Rundfunk. Die Medienintermediäre waren unreguliert.“ Diese Ungleichbehandlung habe sich mit dem Medienstaatsvertrag geändert. Raab betonte, dass der Medienstaatsvertrag versucht, auch Medienintermediäre mit Sitz im Ausland greifbar machen, zum Beispiel durch Zustellungsbevollmächtigte im Inland. Transparenz und Diskriminierungsverbote im Bereich der Medienintermediäre seien dringend nötig für die Chancengleichheit, auch wenn die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe schwierig sein könnte. Bei der konkreten Umsetzung des Medienstaatsvertrags im Bereich der Medienintermediäre werde viel Arbeit auf die Landesmedienanstalten zukommen. Eumann gab sich optimistisch, dass die Umsetzung des Medienstaatsvertrages den Landesmedienanstalten gelingen werde. „Ich bin ins Gelingen verliebt.“ Außerdem verwies er darauf, dass die Landesmedienanstalten in ständigem Kontakt mit den Akteuren und der Politik seien, um die Prozesse zu optimieren.

In ihrer Abschlussreflexion machte Stark deutlich, dass sich durch die Digitalisierung die Kommunikation grundlegend verändert habe. „Wir befinden uns in einem Zustand ständiger Aufmerksamkeit.“ Somit sei digitale Resilienz ein neues Schlagwort in der wissenschaftlichen Debatte geworden. Dabei gehe es darum, die Kompetenzen des Individuums zu stärken. Kritische Medienkompetenz werde allgemein und speziell gefordert, zum Beispiel im Kontext informationeller Selbstbestimmung. Sie zitierte den Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber mit den Worten: „Nicht Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, sondern Vertrauen.“ Bei Vertrauen gehe es um Handlungsverantwortung. In demokratischen Gesellschaften sei es extrem wichtig, dass Menschen den Medien vertrauen können. Ein Vertrauensverlust in die Medien könne auf Wirtschaft und Politik abstrahlen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden.

In seiner Abschlussreflexion nahm Cornils eine individualistische Sichtweise ein. So verwies er darauf, dass die früher alternativlose Informationsleistung der Medien nicht schon durch das Angebot eines sozialen Netzwerks an sich in Frage gestellt werde, sondern erst durch diejenigen, die den Dienst mit Inhalt füllten und so, wie Donald Trump, direkt ihr Publikum erreichten und zweitens durch diejenigen, die sich mit dieser Art von Informationsleistung zufrieden geben und keine Zeitung mehr lesen oder Nachrichtensendung mehr sehen. Jede Kritik und Korrektur der auf die Nutzerakzeptanz zielenden und von ihr abhängigen Inhalte-Kuratierung der Netzwerke sei daher immer auch eine Kritik an dem Nutzer selbst und letztlich eine Infragestellung seiner informationellen Autonomie, gab Cornils zu bedenken.

Zum Abschluss der Veranstaltung dankte der Vorstand des Mainzer Medieninstituts dem Gründungsdirektor Dieter Dörr, der Gründungsgeschäftsführerin Birgit Harz und ihrem Team herzlich für die Aufbauarbeit. Der Doppelspitze Matthias Cornils und Birgit Stark galt ihr Dank für die interdisziplinäre Neuausrichtung des Instituts, der Geschäftsführerin und Mitarbeiterin der ersten Stunde, Nicole Zorn, für die operative Leitung des Instituts.

Im Hinblick auf ihre besonderen Verdienste für das Mainzer Medieninstitut ernannte der Vorstand die Gründungsmitglieder Prof. Dr. Carl-Eugen Eberle, ehemaliger Justiziar des ZDF, den damaligen Staatssekretär Klaus Rüter (in Abwesenheit) sowie den Gründungsdirektor Prof. Dr. Dieter Dörr zu Ehrenmitgliedern des Trägervereins.

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