Rückblick: Das 19. Brüsseler Mediengespräch
Rückblick: Das 19. Brüsseler Mediengespräch
Unter dem Titel „Rechtsgüterschutz und Zugangsgleichheit durch Plattform- und Intermediärsregulierung: Die neuen europäischen und nationalen Regelungskonzepte im Vergleich“ hat am 11. Oktober 2018 das 19. Brüsseler Mediengespräch in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz in Brüssel stattgefunden. Zu dieser Veranstaltung eingeladen hatten das Mainzer Medieninstitut und die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz.
In ihrer Begrüßung in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz in Brüssel betonte Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtige des Landes Rheinland-Pfalz im Bund und für Europa, für Medien und Digitales, die Bedeutung einer konvergenzgerechten Regulierung für Politik und Gesellschaft. Sie verwies auf die aktuelle ARD/ZDF-Onlinestudie 2018, wonach erstmals über 90 Prozent der Deutschen online sind. Die hohe Bedeutung einer interessengerechten Regulierung nicht nur für Verbände und Unternehmen, sondern auch für Bürgerinnen und Bürgern zeige die große Resonanz auf den Diskussionsentwurf zum geplanten Medienstaatsvertrag. Dieser war im Sommer zur öffentlichen Konsultation gestellt worden. Rund 1.200 Eingaben mit Vorschlägen, Anregungen und Ideen seien bei der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz eingegangen. Diese große Beteiligung zeige, wie wichtig eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit gewesen sei.
Birgit Stark, Direktorin des Mainzer Medieninstituts, verdeutlichte in ihrer Keynote die Wirkmacht von Intermediären für die öffentliche Meinungsbildung. Mittlerweile hätten Intermediäre Funktionen der klassischen Medien wie Agenda Setting, Framing sowie Vermittlung von Wissen übernommen. Eine Meinungsbildung ohne Intermediäre sei heute – gerade für junge Menschen – nicht mehr denkbar. Dabei mache insbesondere die Reichweite und Geschwindigkeit Intermediäre anfällig für gezielte Desinformation und negative Emotionalisierungen. Außerdem machte Stark auf Vielfaltsverluste aufmerksam, die bei Intermediären durch eine Fokussierung auf den Mainstream ausgelöst werde. Da Intermediäre die digitale Öffentlichkeit strukturierten, müsste Regierungen, Zivilgesellschaft und Intermediäre zusammenarbeiten, um geeignete Governance-Strukturen zu schaffen, folgerte Stark. Die vollständige Keynote von Prof. Dr. Birgit Stark finden Sie hier (Der Beitrag ist in dem Magazin pro media, Ausgabe 12/2018 erschienen).
Die unterschiedlichen Stoßrichtungen von nationalen und europäischen Regulierungsvorhaben stellte Matthias Cornils, Direktor des Mainzer Medieninstituts, in den Fokus seiner Keynote. Zweck der Regulierung, wie sie im Diskussionsentwurf zum geplanten Medienstaatsvertrag zum Ausdruck komme, sei die Sicherung von Bedingungen demokratischer Meinungsbildung. Als dem geplanten Medienstaatsvertrag immanente Gründe für eine Regulierung nannte er die Informations-Vielfaltssicherung, die informationelle Integration der Gesellschaft sowie die Gewährleistung kommunikativer Chancengleichheit und Zugangsoffenheit. Zur Vielfaltssicherung seien nicht nur Mediendienste, sondern auch sonstige (nicht publizistische) Informationsmittler wie Medienintermediäre oder Plattformen verpflichtet. Demgegenüber stelle das europäische Recht bei seinen Regulierungsvorhaben vor allem den Rechtsgüterschutz, also die Verhinderung schädlicher Informationsinhalte, in den Vordergrund. Es sei eine rechtspolitische Herausforderung, die Regelungsvorhaben trotz ihrer unterschiedlichen Stoßrichtungen dort, wo es nötig ist, zu harmonisieren. Die vollständige Keynote von Prof. Dr. Matthias Cornils finden Sie hier.
Anschließend diskutierten auf dem Podium: Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtige des Landes Rheinland-Pfalz im Bund und für Europa, für Medien und Digitales, Audrius Perkauskas, Deputy Head of Unit Audiovisual and Media Policy bei der Europäischen Kommission, Mark D. Cole, Professor für das Recht der neuen Informationstechnologien, Medien- und Kommunikationsrecht an der Universität Luxemburg sowie Matthias Spielkamp, Journalist und Mitbegründer von AlgorithmWatch. Moderiert wurde die Veranstaltung von Sophie Burkhardt, ZDF-Beauftragte und Stellvertretende Geschäftsführerin des Content-Netzwerkes funk von ARD und ZDF und Leiterin der Redaktion Koordination/Chefin vom Dienst innerhalb der HR Neue Medien.
In Bezug auf die unterschiedlichen Zielsetzungen und Stoßrichtungen von nationalen und europäischen Regulierungsvorhaben machte Cole deutlich, dass der genuine Aktionsraum der EU nicht die Meinungsvielfaltssicherung sei. Deshalb seien die Initiativen zur Sicherung der Bedingungen demokratischer Meinungsbildung vorrangig den nationalen Gesetzgebern vorbehalten. Staatssekretärin Raab betonte, dass es in der deutschen Gesetzgebung durchaus ein Spannungsverhältnis zwischen Vielfaltssicherung und Rechtsgüterschutz, zum Beispiel in Form des Jugendmedienschutzes, gebe. Auch wenn nationale und europäische Gesetzgeber unterschiedliche Schutzzwecke fokussieren, so gibt es dennoch inhaltliche Überschneidungen. So finden sich zum Beispiel die Forderungen nach Zugangschancengleichheit sowohl im Entwurf zum neuen Medienstaatsvertrag als auch im EU-Vorschlag einer Verordnung zu Online-Vermittlungsdiensten. Beide Regelungsvorhaben fordern Transparenz hinsichtlich algorithmenbasierter Rankings. In der Diskussion warf Spielkamp die Frage auf, ob die Forderung nach Transparenz bei Rankings der richtige Ansatz sei. Er verwies auf eine aktuelle Studie des Pew Research Centers, wonach über die Hälfte der amerikanischen Facebook-Nutzer über 18 Jahren nicht versteht, wie ihr Facebook-Newsfeed funktioniert. Der Studie zufolge weiß die Mehrheit der Facebook-Nutzer nicht, warum bestimmte Posts in ihrem Newsfeed angezeigt werden und andere nicht. Spielkamp fügte hinzu, dass selbst Experten nicht verständen, wie die Algorithmisierung funktioniere. Trotzdem fänden die meisten Nutzer gut, was sie angezeigt bekämen, betonte Spielkamp und stellte die Frage, ob die Forderung nach Transparenz von Algorithmen vor diesem Hintergrund überhaupt vermittelbar sei. Für Cole haben die Transparenzpflichten auch Symbolwirkung. Damit solle den Anbietern klargemacht werden, dass nationale und europäische Gesetzgeber von ihnen die Übernahme von Verantwortung erwarteten. Die Bedeutung der Medienkompetenz betonte Perkauskas. Bei der Europäischen Kommission stehe das Thema Verbesserung der Medienkompetenz in Europa ganz oben auf der Agenda. Dem stimmte Medienpolitikerin Raab zu. Sie betonte, dass das Recht zwar eine regulatorische Funktion übernehmen könne und müsse, seine Schlagkraft jedoch durch Maßnahmen zur Verbesserung der Medienkompetenz gesteigert werden könnte.