18. Mainzer Mediengespräch: Entfremdung trotz hohen Vertrauens? Eine Diskussion aus journalistischer Sicht
18. Mainzer Mediengespräch: Entfremdung trotz hohen Vertrauens? Eine Diskussion aus journalistischer Sicht
Seit der Flüchtlingskrise sehen sich etablierte Massenmedien einer aufgeladenen Debatte um das Vertrauen in die journalistische Berichterstattung und deren Glaubwürdigkeit ausgesetzt. Verstärkt wird der Vorwurf der „Lügenpresse“ erhoben und Qualitätsmedien staatliche Abhängigkeit unterstellt. Wie es um das Medienvertrauen wirklich bestellt ist und wie sich der Journalismus vor diesem Hintergrund künftig aufstellen sollte - das diskutierten Manfred Köhler (FAZ), Elmar Theveßen (ZDF) und Prof. Dr. Tanjev Schultz (Institut für Publizistik) beim 18. Mainzer Mediengespräch. Die Moderation übernahm Daniela Bublitz.
Vertrauen schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt
In ihrer Eröffnungsrede betonte die Direktorin des Mainzer Medieninstituts, Frau Prof. Dr. Birgit Stark, die Bedeutung der Medien für die freie Meinungsbildung und das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft. Schwindet dieses Vertrauen, so sei zu befürchten, dass sich Menschen von Massenmedien und damit von einem gemeinsamen öffentlichen Raum des Aushandelns von politischen und gesellschaftlichen Problemen abwenden, so Stark. Mit dem Vertrauensverlust in Medien kann auch eine steigende Skepsis gegenüber anderen Systemen wie Politik einhergehen. Gesunde Skepsis und Kritik gegenüber den rechtsstaatlichen, demokratischen Institutionen sei wichtig, aber ein tiefgreifendes Misstrauen gegenüber Medien gefährde auf lange Sicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt, so Stark.
Je mehr die Menschen über Medien wissen, desto mehr vertrauen sie ihnen.
Prof. Dr. Oliver Quiring, Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik, stellte im Anschluss die zentralen Befunde der Mainzer Vertrauensstudie vor - ein langfristig angelegtes Projekt, das die Determinanten von Medienvertrauen in der Bevölkerung und dessen dynamische Entwicklung seit 2015 erfasst. Die Studie ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Die aktuellen Ergebnisse der Studie (2017) zeigen im Vergleich zum Vorjahr ein zunehmendes Vertrauen in die Medien und eine Abnahme der „Lügenpresse-Hysterie“. Bis auf das Internet bleibt das Vertrauen in einzelne Mediengattungen allgemein sehr stabil. Im Internet gelten besonders Nachrichten aus sozialen Netzwerken als überhaupt nicht vertrauenswürdig.
Trotz des hohen Vertrauens stellt die Studie eine Entfremdung bei den Deutschen fest. So haben 45 Prozent das Gefühl, dass die Medien den Kontakt zu ihresgleichen verloren haben, 38 Prozent geben an, dass die von ihnen als wichtig empfundene Themen von den Medien nicht ernst genommen werden und 26 Prozent nehmen die gesellschaftlichen Zustände ganz anders wahr, als sie von den Medien dargestellt werden. Ein weiterer zentraler Befund: Je lückenhafter das Medienwissen der Befragten, desto geringer ist das Medienvertrauen. So glauben etwa 38 Prozent der Deutschen, dass Journalisten willkürlich berichten dürfen und keinen gesetzlichen Schranken unterliegen. 11 Prozent denken, dass Journalisten ihre Beiträge vor Veröffentlichung von Behörden prüfen lassen müssen.
Die anschließende Diskussionsrunde analysierte und bewertete diese Befunde.
„Fake News“ als Herausforderung für den Qualitätsjournalismus
Das gestiegene Medienvertrauen zeige, dass viele Medienangebote aus der „Vertrauenskrise“ gelernt und insgesamt für mehr Transparenz und Interaktion gesorgt haben. Problematisch bleibt aber, dass Rezipienten wie auch Journalisten den Unterschied zwischen Falschmeldungen und echtem Qualitätsjournalismus oft nicht erkennen. Erst vergangenen Monat hatte der Titanic-Redakteur Moritz Hürtgen eine Falschmeldung bewusst in Umlauf gebracht, um zu zeigen wie Online-Journalismus funktionieren kann. Der Tweet wurde von etlichen Agenturen und Medien ungeprüft aufgegriffen. Nicht zuletzt diese Aktion macht deutlich, dass „Fake News“ den Journalismus vor Herausforderungen stellt und technisch versiertes Personal unerlässlich macht, das ständig weitergebildet wird, um Videos oder Fotos auch tatsächlich als „Fakes“ identifizieren zu können. Auf Seite der Rezipienten bedarf es hingegen der Stärkung von mehr Medienkompetenz, um sich gegenüber „Fakes“ zu sensibilisieren.
Spiegeln Massenmedien die Meinung der deutschen Bevölkerung wider?
Ein wichtiger Grund, dass das Lager der Medien-Skeptiker gewachsen ist, wurde in der medialen Flüchtlingsberichterstattung gesehen. Die Grundierung der Berichterstattung war insgesamt durch eine Willkommenskultur geprägt, wodurch sich einige bevormundet gefühlt haben könnten, wie sie über das Thema denken haben. Doch auch wenn es Bevölkerungsgruppen gibt, die sich dadurch abgekoppelt sehen – Medien können die Meinung einer lauten Minderheit nicht so abbilden, als ob ein Großteil der Deutschen so darüber denke, so Theveßen. Man dürfe hier nicht nur auf Emotionen und Meinungen gehen, sondern muss bei den Fakten bleiben und auf Fehler in der Berichterstattung gegebenenfalls hinweisen, so das Podium.
Der Publikumsfrage, wohin der negative Trend der Medienberichterstattung führe und ob die Medien nicht ein optimistischeres Bild der Wirklichkeit widergeben sollten, entgegnete Theveßen, dass Medien aufgrund des Rundfunkstaatsvertrags einen klaren gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen haben. Man zeige, was woanders Wirklichkeit ist und diese Probleme müssen „so hart abgebildet werden, wie sie sind.“ Trotzdem könne man im Sinne des konstruktiven Journalismus vermehrt auch Lösungen aufzeigen, die es für diese oder ähnliche Probleme bereits woanders gegeben hat. Jedoch lassen sich Realitäten nicht immer korrekt abbilden, was je nach Thema auch an einer „falschen Rücksichtnahme“ gegenüber der Politik liegen kann, bestehende Probleme nicht anzusprechen, so Köhler. Als Journalist werde man so „Opfer einer Schweigespirale“, was die Recherchearbeit und lösungsorientierte Berichterstattung erschwere.
Welche Maßnahmen können das Medienvertrauen stärken?
Um das Vertrauen zu stärken, müsse zum einen noch mehr Transparenz geschaffen werden – etwa bei der Vermittlung der journalistischen Arbeitsweise oder dem Prozess der Hintergrundrecherche von Nachrichten (Stichwort: Medienkompetenz). Allerdings stehen der Umsetzbarkeit solcher Maßnahmen die oft nur begrenzten Ressourcen der Medien entgegen. Zudem blieben Zweifel, ob dies einen positiven Effekt auf jene hat, die den etablierten Medien generell sehr kritisch gegenüberstehen. Denn der Vorwurf der „Lügenpresse“ bezieht sich nicht alleine auf sachliche Fehler in der Berichterstattung, die mit genügend Transparenz gelöst wären. Die Vorwürfe implizieren vielmehr eine Kritik an der Gesamtheit des Systems und dem Glauben an manipulierte und staatsnahe Medien.
Zum anderen müsse man die Nutzer im Gestaltungsprozess neuer Formate stärker miteinbinden und Möglichkeiten der kontroversen Interaktion bieten. Hier sahen sich die Journalisten aber nicht nur in der Aufgabe als Auffangbecken des Nutzer-Feedbacks zu fungieren, sondern als Vertreter von Qualitätsmedien vor allem auch dem Bedarf an verlässlicher Einordnung der Berichterstattung gerecht zu werden. So müssen moderne Formate nicht zwangsläufig etablierte Angebote ersetzen, sondern könnten in Zukunft parallel zu diesen existieren.
Auch wenn kurze und „hippe“ Formate besonders die junge Generation ansprechen sollen, so komme man nicht um die Kultur des längeren und intensiveren Lesens umher, will man den Kontext und tieferen Sinn eines Themas vermitteln, so Schultz. Auch für die künftige Generation sei daher „die Tugend der Kommunikation, des Zuhörens und des Aushaltens anderer Positionen sehr wichtig.“
In einem waren sich zum Schluss zumindest alle einig: Es wird auch in der Zukunft weiterhin vielfältige Formen geben, um den öffentlichen Diskurs aufrechtzuerhalten.